Essen. Er ist der Dschungelflüsterer und immer öfter auch vor der Kamera. Nun haut Micky Beisenherz, unser Mann aus Castrop-Rauxel, ein böses Buch raus.
Aufgepasst, Maschmeyer, Nahles und Co! Wir sprechen mit Micky Beisenherz (41) über seine Kolumnen-Sammlung: „...und zur Apokalypse gibt es Filterkaffee“.
Ziemlich doofer Titel – oder hab ich da nur was nicht verstanden?
Beisenherz: Wenn man den Titel doof findet, löst er zumindest auch eine Emotion aus. Was ich zu klammern versuche, ist das völlig banale alltägliche Persönliche, sprich der Filterkaffee; und die Apokalypse spiegelt natürlich das Politische und das Weltgeschehen bis zur letzten Konsequenz – aber wie ich gerade feststelle, hat das nicht bei allen gezündet, diesen großen Bogen zu spannen. Trotzdem: Lieber einen Titel, den man sich merkt, weil er irritiert, als den großen Glücksratgeber.
Diese Promotions-Routine – neues Produkt, Talkshow-Durchlauferhitzer – ist normalerweise etwas, was Sie gern aufs Korn nehmen. Um jetzt selbst Teil dessen zu sein…
Beisenherz: Genau. Das ist mindestens interessant, mal auf der anderen Seite des Zauns zu stehen und plötzlich selber ein Teil der Maschinerie zu sein. Auch als Selbsterfahrung, damit man mal wieder weiß, worüber man da schreibt und über wen man sich lustig macht. Tatsächlich nehme ich das augenzwinkernd hin und mache mich auch vor mir selber ein bisschen zum Affen. In dem Buch steckt aber auch viel von mir selbst drin, was mir wichtig ist – und wenn man möchte, dass die Leute das wahrnehmen, sollte man sich nicht zu schade sein, dass dann auch ein bisschen zu verkaufen.
Apropos verkaufen. Wie viel mussten Sie Ulrich Matthes zahlen, dass er Ihnen auf dem Klapptext wunderbare Unterhaltung attestiert?
Beisenherz: (lacht) Netterweise hatte sich Ulrich Matthes in einigen Interviews positiv über mich und meine Arbeit geäußert, da kamen wir nicht umhin, uns erfreut zu bedienen. Übrigens, wenn meine Mutter mich anruft und sagt: Junge, du siehst müde und fertig aus – dann ist es meistens Ulrich Matthes, der irgendwo in einer Talkshow sitzt.
Gute Promis, schlechte Promis. Wenn sich das Tourismusbüro von Dubai beschwert, machen Sie sich sicher eine Kerbe in den Laptop, die Lästereien über Carsten Maschmeyer oder Andrea Nahles aber sind abgrundtief böse. Keine Skrupel?
Beisenherz: Die persönliche Beißhemmung gibt es eher bei Privatmenschen. Bei Nahles oder Maschmeyer ist es ja eher das, was die Person tut oder wie sie sich äußert. Es ist für mich schwierig, wenn jemand wie Maschmeyer, der auf zumindest umstrittene Weise so viel Reichtum angehäuft hat, in eigenen Fernsehformaten als das leuchtende Beispiel für Kaufmannschaft dargestellt wird. Und als jemand, der grundsätzlich eher der Sozialdemokratie zugeneigt ist, hätte ich mir schon gewünscht, dass da jemand in führender Position ist, der dieses Amt vielleicht etwas glücklicher ausfüllt, als jemand, der durch Bätschi oder Pippi Langstrumpf von sich reden gemacht hat, wie Frau Nahles. Trotzdem würde ich mit Frau Nahles wohl eher ein Bier trinken als mit Maschmeyer, bei dem ich vermutlich schon beim Händeschütteln das Portmonee festhalten würde. Nein, ich habe keine Liebe für Carsten Maschmeyer.
„Nein, ich habe keine Liebe für Carsten Maschmeyer.“
Schießt die politische Korrektheit, gerade auch in den sozialen Medien, nicht sowieso oft übers Ziel hinaus bis hin zur Hysterie?
Beisenherz: Die Tendenz sehe ich auf jeden Fall. Eine so gravierende gesellschaftliche Veränderung, wie sie etwa die #MeToo-Debatte erreicht hat, kann dabei nicht ganz ohne Hysterie vonstatten gehen. Das muss auch so sein, um ein paar Grenzen zu verschieben, was ein sehr wertvoller Prozess ist. Andererseits muss man aber doch aufpassen, dass eine Generation mit ihren hehren Zielen sich nicht in solchen Mikro-Scharmützeln verheddert. Zugespitzt: Wenn Bomben fallen, muss ich nicht mit der gleichen Lautstärke, wie das Kriegsende gefordert wird, gleichzeitig den Verzicht auf Plastikstrohhalme einklagen. Wir stecken momentan in einem Gulasch von Befindlichkeiten und Empörungsbrandherden und nicht alle haben die gleiche Wichtigkeit. Es gibt Missstände, die sollten behoben werden, aber ich bin mittlerweile der Ansicht, dass Twitter nicht das richtige Medium ist, um solche Dinge zu besprechen - weil alles in einer starren, dogmatischen, fundamentalistischen Pose unterzugehen droht und ernste Auseinandersetzung gar nicht mehr erwünscht ist.
Apropos Twitter und Co: Wie war Ihre Bildschirmzeit diese Woche?
Beisenherz: (lächelt ertappt) Vermutlich mehr, als mancher für gesund halten würde, aber unterm Strich gibt es noch genügend analoges Leben trotz aller digitalen Verführung. Ohnehin wird zum Beispiel auf Instagram doch nur ein Zerrbild der Wirklichkeit wiedergegeben, man lässt sich glanzvoller erscheinen, als dass man auf dem Klo oder auf dem Sozialamt sitzt. Aber ich gebe der Realität schon noch eine Chance.
Stichwort Eitelkeit. Stehen Sie eigentlich gerne mit fülligeren Partnern wie Jörg Thadeusz oder Oliver Polak auf der Bühne, um noch definierter auszusehen?
Beisenherz: An der Stelle kann ich nur ganz klar sagen: Ich sehe auch neben schlanken Leuten fantastisch aus. Bitte schreiben Sie das! Fairerweise muss man sagen, eitel und verhaltensauffällig war ich immer schon. Die Leute, die allerdings versucht haben zu verhindern, dass ich im Fernsehen bin, die sind langsam völlig entkräftet und geben auf. Es würde übrigens jedem gut tun, immer auch in Betracht zu ziehen, dass man selber doch nur ein Trottel ist. Die eigene Armseligkeit mal ein bisschen mehr auszustellen, halte ich nicht nur für öffentliche Personen generell auch für ganz gesund.
Ist es anstrengend, immer geistreich zu sein?
Da müsste man vielleicht eher die geistreichen Leute fragen. Es gibt schon ein stetiges Bemühen um intelligente Gedanken. Das innere Aufnahmegerät läuft pausenlos. Berufskrankheit.
Beruflich könnte man annehmen, Sie sind ein hoffnungsloser Zyniker. Dann aber gibt es Texte über Heiligabend, die Familie, Omma und Tochter, da scheinen Sie plötzlich ganz weich…
Beisenherz: Das bin ich ja tatsächlich auch. Dadurch, dass wir in einem Mehrgenerationenhaus großgeworden sind, wurde immer schon sehr auf die emotionalen Belange Rücksicht genommen. Zynismus ist ja auch Kapitulation. Ich genieße das Leben und mag die Menschen sehr. So ein Kind bringt natürlich nochmal eine Extraportion Emotion mit sich. Werte wie Rücksicht, Höflichkeit, Anstand, die man seinem Nachwuchs mitgeben möchte, animieren doch zur kritischen Überprüfung, ob man diesen eigenen moralischen Standards auch selbst gerecht wird.
Die eigene Biografie: Zwischen Wahlheimat Hamburg und australischem Dschungel aufgewachsen in Castrop-Rauxel. Das ist doch schon die erste Pointe des Lebens gewesen, oder?
Oder? Fantastisch.
Wenn wir schon im Ruhrgebiet angekommen sind: Plaudern Sie doch mal aus der Schule. Klassenclown, Sportskanone – oder gar schüchtern?
Beisenherz: Ich war vergleichsweise kräftig und konnte auch in diversen Schulfächern nicht mit Leistung glänzen. Statt einer superattraktiven Physionomie musste ich mir mit Humor helfen, als Notwehr. So habe ich meinen Beitrag dann halt mit einer guten Pointe geleistet, das hat auch eine Weile funktioniert. Ich war tendenziell schon eher von der unterhaltenden Fraktion.
Sie unterhalten demnächst auch auf der Bühne, das ist neu.
Beisenherz: Zumindest, dass Leute für mich allein ein Ticket kaufen, auf dem nur mein Name steht, ist tatsächlich eine neue Situation. Da ich in jeder Stadt auch noch zwei prominente und beliebte Gäste habe, lenkt das im Zweifel aber auch noch ein bisschen von mir ab.
Die Kolumnen aus dem Buch spielen ja auch im Live-Programm eine Rolle. Gleich die erste behandelt das Thema perfekter Gästebuch-Eintrag im Hotel. Ihr Tipp?
Beisenherz: Ich würde in jeder Stadt immer ins beste Haus am Platze gehen, mich dort ins Gästebuch eintragen und mich dann wieder ganz schnell in min Zwei-Sterne-Haus verziehen. Es ist nur wichtig, dass die Leute einen als hocherfolgreich wahrnehmen. Wir haben 2019: Es spielt keine Rolle, wer man ist, sondern nur, wie man rüberkommt.
Autor und Moderator „Dinge, von denen ich nichts verstehe, über die ich aber trotzdem schreibe“, lautet der Untertitel der Kolumnen-Sammlung von Micky Beisenherz (Rowohlt, 224 Seiten, 16 Euro). Der 41-Jährige ist auch Autor für die Texte des RTL-Dschungelcamps sowie für „heute Show“ (ZDF) und „extra 3“ (NDR), er moderiert den „Kölner Treff“ (WDR), geht demächst mit Gästen auf Bühnen-Tour und ist rege aktiv auf Twitter und Instagram. Aufgewachsen in Castrop-Rauxel, lebt der Grimme-Preisträger seit Jahren mit Frau und Tochter in Hamburg.