Amsterdam. . Zum 350. Todestag des Ausnahme-Künstlers Rembrandt lockt das Rijksmuseum Amsterdam mit einer spannenden Schau.

Mehr Rembrandt als im Amsterdamer Rijksmuseum wird man auch in diesem 350. Todesjahr des 1606 geborenen Jahrtausendkünstlers nicht zu sehen bekommen. Es sind zwar nicht „alle Rembrandts“, wie das vor sechs Jahren grandios und licht umgebaute Haus vollmundig in alle Welt hinausposaunt. Aber es sind immerhin fast alle der 290 bekannten Radierungen Rembrandts, die dieser Mammut-Schau ihren Stempel aufdrücken; dazu 60 Zeichnungen, bei denen es sich fast durchweg um Tinten-Skizzen mit leichter Feder handelt, die aber vielleicht heute, gerade wegen ihrer Sparsamkeit von wenigen Dutzend Strichen noch mehr geschätzt werden als von Rembrandts Zeitgenossen.

Sehr lebendig: die „Vorsteher der Tuchmacher-Gilde“

Aber selbstverständlich sind da auch die 22 Gemälde, von denen nur eines nicht in der abgedunkelten Ausstellung im Philipsflügel des Museums hängt: „Die Kompanie von Kapitän Frans Banning Cocq und Leutnant Willem van Ruytenburgh macht sich bereit zum Ausrücken“, bekannter unter ihrem Abkürzungstitel „Die Nachtwache“. Wie im vergangenen Jahr Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ im Mauritshuis von Den Haag soll auch diese Ikone des niederländischen Kunstschatzes im Sommer unter den Augen des Publikums eingehend untersucht und einmal mehr restauriert werden. Man mag immer weniger die Besucher enttäuschen, die immer häufiger wegen einzelner Werke zum Museum anreisen.

Dafür präsentiert die „Alle Rembrandts“-Schau ein Gemälde, gegen das die „Nachtwache“ geradezu verschlafen und steifleinen wirkt: Die sechs „Vorsteher der Tuchmacher-Gilde“ wirken tatsächlich so, als seien sie ziemlich überrascht, dass man ihnen plötzlich bei ihrem Treiben, beim Verhandeln, Verkungeln und Frotzeln zuschaut. Da ist so viel Leben und zugleich so viel Präzision, man möchte sich glatt nach der Tür im Rücken umgucken, zu der einen die gestörten Herrn offenbar hinauswünschen.

Ein Besucher geht an einer Plakatwand für die Ausstellung vorbei.
Ein Besucher geht an einer Plakatwand für die Ausstellung vorbei. © dpa/Peter Dejong

Einmalige Licht-Regie in Rembrandts Bildern

Die Ausstellung beginnt, völlig zurecht, mit den Selbstporträts von Rembrandt, der sich noch häufiger malte, radierte und skizzierte als der auch nicht gerade uneitle Albrecht Dürer. Was bei dem tatsächlich noch die Selbstvergewisserung eines Renaissance-Menschen gegen die Abhängigkeit von Glauben, Kirche und göttlichem Herrschaftsgefüge war (und ein bisschen Marketing), das war bei Rembrandt der Ehrgeiz, bei aller malerisch einmaligen Licht-Regie durch die Oberfläche hindurch zum Kern, zum Wesen vorzudringen — und nicht zuletzt die Tatsache, dass kein Modell so preiswert, geduldig und allzeit verfügbar war wie er.

Viele Selbstporträts sind zu sehen

Die Selbstporträts reichen vom berühmten Jungenbildnis mit den Fussel-Locken, das noch im heimischen Leiden entstand, bis hin zum Selbstporträt als Apostel Paulus mit nunmehr grauen, strähnigen Locken und einem Leben voller dramatischer Wendungen im Gesicht, vom Bankrott über Betrug bis zu frühen Todesfällen.

25 Radierungen lassen Rembrandts allmähliches Altern nachvollziehen. Nicht von ungefähr ist das rührendste Bild der Ausstellung sein Sohn Titus, verträumt in der Franziskanerkutte in eine ungewisse Zukunft blickend. Titus starb mit 29, noch zu Rembrandts Lebzeiten — und sechs Monate, bevor sein einziges Kind zur Welt kam.

Der Radierer Rembrandt mochte biblische Szenen

Zu allen Zeiten seiner Karriere produzierte der Radierer Rembrandt biblische Szenen, aber als seine geliebte Saskia sich von der Geburt des Sohnes nicht erholte und dann auch starb, begab sich Rembrandt auf Spaziergänge rund um Amsterdam. Er nahm Wege, die beliebt waren, aber vielleicht entstanden die Radierungen dieser Landschaften auch, weil die Amsterdamer gerne kauften, was sie kannten — selbst wenn es, da war Rembrandt von typischer künstlerischer Nachlässigkeit, auf dem Papier spiegelverkehrt erschien.

Taco Dibbits, Direktor des Reichsmuseums in Amsterdam, steht vor den Porträts „Marten Soolmans
Taco Dibbits, Direktor des Reichsmuseums in Amsterdam, steht vor den Porträts „Marten Soolmans" und „Oopjen Coppit" im Amsterdamer Reichsmuseum © Peter Dejong

Überhaupt war der Meister (mit einer großen Werkstatt) cool wie nur wenige: Eine ebenso eindeutige wie halbwegs freizügige Bettszene, der viele Rembrandt-Verehrer des prüden 19. Jahrhunderts sogar die Echtheit absprachen, weil es nicht in ihr Bild vom Künstler passte, ging in Druck, obwohl sie offenbar noch nicht abgeschlossen war: Die Dame auf dem Bild hat zwei linke Arme.

Zeiten und Eintrittspreise

„Alle Rembrandts“. Rijksmuseum Amsterdam, Museumsplein 1. Bis 10. Juni. Geöffnet: Täglich 9–17 Uhr; Eintrittskarten sollten vorab per Internet gebucht werden, da sie nicht nur an den Tag, sondern auch an eine fixe Startzeit von einer halben Stunde gebunden sind. Eintritt: Erwachsene: 19 Euro, im Museum: 20 Euro; unter 18 Jahren: Eintritt frei.

Zur Ausstellung gibt es leider keinen Katalog, das Museum hat aber von seinem Mitarbeiter Jonathan Bikker ein neues Buch schreiben lassen: „Rembrandt, Biografie eines Rebellen“ - derzeit leider nur auf Englisch (25 Euro).