In der Netflix-Serie „The Umbrella Academy“ muss ein Geschwister-Team mit Superkräften die ganze Welt beschützen.

Milliardäre mit Allmachtsfantasien stehen gerade bekanntlich hoch im Kurs – und auch Reginald Hargreeves (Colm Feore) ist ein Vorzeigeexemplar dieser Gattung. In der Comicadaption „The Umbrella Academy“ kennt der Superreiche mit einem Faible für Wissenschaft und erfinderische Forschung nur ein Ziel: Er will die Menschheit voranbringen. Deshalb trifft es sich gut, dass an einem ansonsten ereignislosen Tag im Jahr 1989 gleich ein ganzer Schwung Wunderkinder auf einmal das Licht der Welt erblickt. Ihre Mütter kamen zum Nachwuchs wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde.

Mit Härte geschult

Ungern lässt sich der egomanische Eigenbrötler Hargreeves eine liebevolle Zuneigung zum Nachwuchs nachsagen. Allerdings weckt der neugeborene Reigen sein Interesse. Denn diese Kids haben wahre Superkräfte. Der Milliardär, Erfinder und selbst ernannte Philanthrop startet eine weltweite Aufspür- und Adoptionsoffensive mit anschließendem Hardcore-Schulungsprogramm – und das nicht immer mit pädagogisch wertvollen Mitteln. Fans der „Umbrella Academy“ warten bereits eine ganze Weile auf die Verfilmung der beliebten Comicbuchserie der beiden Schöpfer Gerard Way und Gabriel Bá, die nun auch vom Verlag Cross Cult neu aufgelegt wurde. In der Netflix-Adaption setzt sich zwar der visuell einzigartig bunte Stil der Buchvorlage nicht fort – er muss einem für die aktuelle Serienwelt sehr typischen düsteren Farblook weichen –, aber der Geist des Comics lebt in seiner Serienumsetzung weiter. Und der besteht vor allem in seinem einzigartigen Figurengefüge.

Die Erzählwelt der „Umbrella Academy“ wird nämlich von herrlich schrulligen Sonderlingen und extravaganten Quertreibern bevölkert. Da wären etwa der Hulk-ähnliche Luther (Tom Hopper), der Martial-Arts- und Messerexperte Diego (David Castañeda), die prominente Allison (Emmy Raver-Lampman), die die Zukunft vorauszusagen vermag und obendrein der schräge Quälgeist Klaus (Robert Sheehan) – ein masochistischer Drogenjunkie, der mit dem Totenreich in Verbindung steht. Dazu gesellt sich mit Vanya (Ellen Page) eine stille Heldin ohne zunächst erkennbare Superkräfte.

Emotionale Tiefe

Anlässlich des Todes ihres Ziehvaters wird die Bande im Erwachsenenalter wiedervereint und gibt sich fortan ganz den Dramen einer dysfunktionalen Familie und den Querelen des Superheldendaseins unter anderem in Form des drohenden Weltuntergangs hin. Die Quintessenz der Serie: Auch noch so große Superkräfte vermögen Traumen und seelische Verletzungen nicht zu heilen. „The Umbrella Academy“ bietet neben einer weit verzweigten spannenden Handlung und spektakulärer Actionaufnahmen eine emotionale Tiefe, die den meisten Superheldenerzählungen abgeht. Es wird hier aber nicht nur trübsinnig gebrütet, es darf auch gelacht werden. Besonderes komödiantisches Talent zeigt ein mysteriöses und bei aller Schlagkraft doch total überfordertes Auftragskillerpärchen, bestehend aus der Sängerin Mary J. Blige und Cameron Britton. Als sie mit den Wirren eines Zeitreisephänomens im Umfeld der Helden konfrontiert sind, verlieren sie sehr amüsant den Überblick. Nicht nur die beiden Fieslinge haben in dieser cleveren Superheldenshow mit Tiefgang Kultpotenzial.

The Umbrella Academy
Zehn Episoden,
je 60 Minuten, ab 15. Februar
Onlinestreaming, Netflix FSK k.A.. Wertung: 4 von 5 Sternen