Essen. Karoline Herfurths zweite Regie-Arbeit „Sweethearts“ ist ein komischer Gangsterinnenfilm – so wagemutig wie sexy.

Das ist heute nicht Frannys Tag. Wer als Geisel mit Platzangst im Kofferraum eines Fluchtfahrzeugs liegt und sich geradewegs in die Panik ventiliert, ist am Rande der eigenen Möglichkeiten angelangt. Franny ist eben eher der dünnhäutige Typ, was aber nicht heißt, dass man ihr leichtfertig blöde kommen sollte. Mel hat auch schon bessere Tage gesehen. Den geplanten Diamantenraub hat sie zwar schaukeln können, aber auf der Flucht musste sie spontan eine Geisel nehmen, weswegen Franny jetzt im Kofferraum liegt.

Die Lage ist knifflig für Mel, denn es gibt nicht viele mögliche Hehler in der Stadt, an die sie sich wenden kann; und in jedem Fall hat sie nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn sie sich auf Unterweltboss Gatski beruft und genau das von keinem hinterfragt wird. Dieser Moment ist genau jetzt gekommen. Mel spielt die freche Karte und fast schon hat sie das Geld, das sie doch so dringend braucht, um alles hinter sich zu lassen, vor allem die dreckige gemeinsame Vergangenheit mit Gatski. Und dann, zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, bricht im Kofferraum ihres Wagens die Hölle los, der Deckel fliegt auf, eine gefesselte und geknebelte Franny hüpft heraus und Sense ist es mit dem Verkauf der heißen Ware. Schlimmer noch ist es, dass die Flucht zwar ganz knapp gelingt, die Diamanten aber im Kugelhagel zurückbleiben müssen. Nur Franny, die ist immer noch an Mels Seite, und sie ist fest entschlossen, ihrer Entführerin zu helfen.

Im Dauerzustand des Nervenzusammenbruchs

Es gibt diese Tage, an denen man besser im Bett geblieben wäre. Genau damit spielt Karoline Herfurth in ihrem zweiten Film, in dem sie nicht nur Franny im Dauerzustand des Nervenzusammenbruchs spielt, sondern auch am Drehbuch mitschrieb und Regie führte. Anders als zuvor „SMS für dich“ ist „Sweethearts“ der sehr ernst gemeinte Versuch eines Gangsterfilms mit komischem Unterton; sozusagen „Thelma und Louise“ mit einem kessen Zwinkern in dem Auge, das zuvor von Quentin Tarantino ein Veilchen verpasst bekam. Für deutsche Verhältnisse ist das ein ziemliches Wagnis, weil solche Genrespäße in aller Regel nicht mit den Wertvorstellungen von Filmförderungsgremien vereinbar sind.

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Wohl auch deshalb befindet sich der Film in einem ständigen Zustand der Unwucht. Mal ist er zu leichtgewichtig, dann wieder zu ernst; mal schlagen die Gags so zielsicher aufs Zwerchfell ein wie Mels Geraden auf Frannys Nase, dann wieder werden Dinge ins Komische gedreht, wo etwas Komisches nichts zu suchen haben sollte. Oft findet der Film seine letzte Rettung auf romantischem Nebenschauplatz. Der wird ausgerechnet durch den Polizisten Harry (Frederick Lau) besetzt, den Mel auch noch als Geisel nimmt; übrigens sehr zu Frannys Freude.

Lacherfolg mit kalkulierter Undurchsichtigkeit

Allen dicht auf den Fersen ist die Kommissarin Ingrid von Kaiten (Anneke Kim Sarnau im gewohnt gestählten Modus ihrer Rostocker „Polizeiruf“-Rolle), aber auch Unterweltboss Gatski (Ronald Zehrfeld, der erfrischend böse sein kann) mag sich nicht seine Eisen aus dem Feuer holen lassen.

Das ist unterm Strich eine ziemlich komplizierte Gemengelage, die in ihrer kalkulierten Undurchsichtigkeit mehr Lacher hinbekommt, als nach der ersten halben Stunde möglich erschienen wäre. Allerdings ist der Film zu keiner Zeit die Lachrevue, die zuvor vom Trailer vorgelogen wurde. Grundsätzlich gilt dies: Karoline Herfurth ist nicht nur eine charismatische und attraktive Hauptdarstellerin, sie setzt als Regisseurin die nötigen Akzente, damit die Schauspieler sich entfalten können. Hannah Herzsprung zeigt als Mel nicht nur aparte Armmuskulatur, sie bringt der Rolle auch eine dramatische Erdung ein, um nicht nur Gangstermieze zu sein.

Wagemutig, frech – und sogar sexy

Was solche Qualitäten wert sind, wird jeder zu schätzen wissen, der sich bei Detlevs Bucks „Asphalt Gorillas“ nur die üblichen Krimikarikaturen vorfand. „Sweethearts“ ist wagemutiger und frecher, dazu charmant und manchmal sogar sexy. Karoline Herfurth ist auf einem guten Weg.