Duisburg. Zabihulla Turkmani arbeitete bei der Lehmbruck-Ausstellung „The Walk“ mit – und würde gern mehr Deutsch dazulernen.
Zabihulla Turkmani (33) ist schon Maler – und würde gern einer werden. Er hat bei der Gestaltung der Jochen-Gerz-Ausstellung „The Walk“ im Duisburger Lehmbruck-Museum mitgearbeitet, und in diese Richtung möchte er auch eine Ausbildung machen, am liebsten aber als Autolackierer oder Karosseriebauer. Das kennt er schon aus Afghanistan, wo er herkommt, dort hatte seine Familie eine Autolackiererei. Im Lehmbruck hat er allerdings darüber gestaunt, wie viele Kinder ins Museum kommen und mitmachen, auch mit Malerei: „In meiner Heimat sind Museen ganz anders.“ Da dürfe man auch keine Kunstwerke haben, die nackte Menschen zeigen: „Sie erinnern sich vielleicht, dass die Taliban die Riesenstatuen von Bamyan gesprengt haben – das haben sie getan, weil diese Götterbilder unbekleidet waren.“ Und die Kunst in Museen sei „500 oder 1500 Jahre alt“.
In Afghanistan war er Bankkaufmann
Zabihullah („man kann mich einfach Zabih nennen“, lächelt er) war gelernter Bankkaufmann bei der Kabul Bank in der afghanischen Hauptstadt. In Deutschland sieht er dafür keine Chance, dazu sind seine Sprachschwierigkeiten noch zu groß. Aber vielleicht wirkt da auch ein Trauma nach: Seine Bank arbeitete seit 2009 mit der deutschen Commerzbank zusammen, übernahm die Entlohnung von Lehrern, Polizisten und Soldaten. Als Zabih 2015 in der Provinz Parwan unterwegs war, haben die Taliban sein Auto angehalten, seine Bankkarte entdeckt und gesagt: Du arbeitest mit der Regierung zusammen! – Was er dann erlebt hat, mag er nicht erzählen, weil er es vergessen will.
Seitdem wollte er weg, „alles verlassen und verloren geben“ und musste dann „hier in Deutschland von Null anfangen“. Warum? „Es ist nicht sicher in Afghanistan, nur dort, wo sich unser Präsident mit 100 Bodyguards aufhält, da ist es sicher.“ Unter seinen Lehrern, Bekannten, Kindheitsfreunden sind schon viele gestorben. Als Zabih 18 wurde, hat ihm sein Vater gesagt, dass seit 40 Jahren Krieg in Afghanistan herrsche: „Ich glaube, das Land wird nie wieder ohne Krieg sein.“ Es gibt einfach zu viele, die ein Interesse daran haben. Der Iran will Wasser und Bodenschätze, Pakistan drängt die Taliban ins Land, selbst Saudi-Arabien verfolgt seine Interessen dort.
In Deutschland möchte er Autolackierer werden
Zabih möchte aber in einem sicheren Land leben. Deshalb hatte er schon in Afghanistan versucht, Deutsch zu lernen. Aber erst im „Regenbogenhaus“ der Diakonie haben ihm viele deutsche Ehrenamtliche ein neues Wort nach dem anderen beigebracht: „Ich wusste ja nicht einmal, dass Deutsch auf Deutsch tatsächlich Deutsch heißt, in Afghanistan hieß es ja immer German oder Almanje“. Jetzt bedauert er, dass er außer im Museum nur noch wenig Kontakt zu Deutschen hat, weil er nicht mehr so viel dazulernt.
Zabih, der zur afghanischen Minderheiten-Volksgruppe der Hazara gehört, kann großartig zeichnen und malen – wäre da nicht die Arbeit im Museum etwas für ihn? Er zögert lange, schüttelt dann bedächtig den Kopf. Nein, „als Kind habe ich oft Autos gemalt“, und er hat sich vorgenommen, Autolackierer zu werden, schon weil er das von der Familie in Afghanistan kennt, er würde auch als Maler und Lackierer arbeiten.
Zabihulla würde gern heiraten, allein: seine Freundin, die er noch aus Afghanistan kennt, ist ebenfalls ausgewandert – aber in die USA. Und was ihm an Deutschland gefällt? „Die Freiheit!“, sagt er spontan. Und dann fügt er hinzu, fröhlich: „Ach, eigentlich gefällt mir hier alles...“
Die Aktion „My Walk“ von Jochen Gerz
Der Konzeptkünstler Jochen Gerz (78) wollte keine gewöhnlich Museums-Ausstellung. Stattdessen hat er Glasscheiben am Duisburger Lehmbruck-Museum mit einem Erzähltext über die Wanderungen seines Lebens bekleben lassen und die Aktion „My Walk“ genannt (noch bis 5. Mai im Lehmbruck Museum).
Zur Ausstellung hat sich Gerz gewünscht, dass das Museum Flüchtlinge als Praktikanten anstellt: „Intelligente Gesellschaft bekommt intelligenten Besuch“. Sie haben in Zusammenarbeit mit dem Bildungszentrum Handwerk der Kreishandwerkerschaft Duisburg beim Aufbau geholfen und Besucher betreut; unsere Zeitung stellt als Teil dieses Kunstprojekts einige von ihnen vor – mit ihren Erfahrungen, Wünschen, Träumen.