Oberhausen. Stef Lernous verlegt den Klassiker in Oberhausen in einen Südstaaten-Sumpf – und die Songs von Tom Liwa machen einen doppelten Coup daraus
„Das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes.“ So spricht Salome, als sie sich auf der Zisterne neben den blutigroten Kopf des Propheten schmiegt. Als Regisseur bleibt der Belgier Stef Lernous ganz nah am poetisch-flamboyanten Text Oscar Wildes und jener frühen Übersetzung, die schon Richard Strauss für seine Opernfassung verwendet hat. Ein Traditionalist? Von wegen. Der doppelte Coup dieser Inszenierung sind die Songs von Tom Liwa – und der Schauplatz: Sven van Kuijks Bühne ist eine Endstation Sehnsucht des White Trash, ein Plankenweg im Sumpf.
Torsten Bauer glänzt als Herodes
Die biblische Geschichte im Südstaaten-Schmodder hat eine gewisse Logik: von Oscar Wilde, dem bienenfleißigen Träumer, zu den Nachkommen irischer Auswanderer, für die der amerikanische Traum längst ein Alptraum ist.
Tom Liwas Songs finden eine Mitte zwischen dem mystisch raunenden Nick Cave und dem Stoizismus von Element of Crime, das Ensemble spielt auch musikalisch groß auf. Lieder und Sprechtext verflechten sich: So singt Clemens Dönicke als Page von den Göttern, die sich in dicken Limousinen davongemacht haben, besingt Lise Wolle ihre Junkie-Heroinen als Liebesgeständnis für Salome. Ihr gibt Ronja Oppelt stimmlich das Spektrum zwischen kindlich und uralt, und in ihrem Entzücken über den Täufer zitiert sie fast wörtlich das Hohelied Salomos: „Sein Mund ist röter als die Füße der Männer, die den Wein stampfen.“
Dabei tritt Daniel Rothaug als Jokanaan auf wie ein verschwitzter TV-Prediger. Zu plump-satirisch wird diese Tragödie im Sumpf aber nicht – ein großes Verdienst der müden Majestät: Torsten Bauer tritt im Morgenmantel aus dem Caravan, seine Geilheit hält ihn lebendig, sein Song „Tanz für mich, Baby“ ist das böse pochende Herz dieses Dramas – prompt gefolgt vom vulgären Eheduett mit Susanne Burkhard als Königin. Wie dieser Bierdosen zerquetschende Herodes bei Salome bittet und bettet, das zeigt Bauers Klasse. Wer allerdings Wildes lustvollen Aufzählungen nicht verfallen mag, für den tritt das Drama auf der Stelle.
Der sprichwörtliche „Tanz der sieben Schleier“ zur Country-Fiedel ist nicht exotischer Schwulst, sondern kämpferisches Aufstampfen. Das Ensemble fällt ein und lässt Herodes zu Boden gehen. „Hättest du mich gesehen, du hättest mich geliebt.“ Salome hat ihren Willen bekommen – und Herodes das letzte Wort, halb versunken im rostigen Campingstuhl: ein weiteres Todesurteil.