Recklinghausen. Er blickt optimistisch auf die Ruhrfestspiele 2019. Doch deren neuer Intendant Olaf Kröck muss auf eine Million Euro verzichten.
Die am 1. Mai beginnenden Ruhrfestspiele 2019 werden eine Woche kürzer als gewohnt. Grund sind zurückgehende Sponsoren-Zuschüsse. Im Interview mit der WAZ garantierte der neue Intendant Olaf Kröck (47) dennoch: Es gebe „keinen Unterschied in der Erlebnisqualität“.
Hauptsponsor der Ruhrfestspiele war über Jahre der in Essen ansässige Chemie-Konzern Evonik. Evonik hatte sich bereits vor der Berufung Kröcks für eine Neuausrichtung des Sponsorings entschieden. Man habe im Rahmen von „konzernweiten Maßnahmen zur Kostenreduktion auch unsere Sponsorings“ überprüft und „einige Einschnitte vorgenommen“, hieß es gegenüber der WAZ. Die Ruhrfestspiele blieben aber auch 2019 „eines der wichtigsten Kultur-Engagements“ von Evonik.
In zwei Wochen lässt Olaf Kröck, der zuletzt Bochums Schauspielhaus leitete, die Programmkatze des Jahrgangs 2019 aus dem Sack. Aber wer ist der Mann, der eines der großen Festspiele Europas übernimmt? Lars von der Gönna traf den neuen Intendanten, der mit weniger Mitteln viel Gutes Theater zeigen will.
Herr Kröck. Was wollten Sie werden, als Sie sechs Jahre alt waren?
Das weiß ich noch ziemlich genau: Ich wollte Zauberer werden!
So ähnlich ist es ja dann gekommen: Theatermacher.
Ich hatte als Kind keine Theatererfahrung. Ich komme aus einer Kleinstadt, Viersen, da gab es einfach kein Theater. Aber es gab Zirkusse, Schultheater und Karneval. Für mich ging es dabei immer um Magie und Illusion – und ich wollte immer auch sehr schnell verstehen, wie ein Trick funktioniert. Bis heute lässt mich das nicht los. Deswegen steht hier in meinem Regal Zmecks „Handbuch der Magie“ - der war ein „Verräter“ der Zunft, weil er in diesem Handbuch alle Tricks erklärt hat.
Entzauberung gehört im Theater-Alltag zwangsläufig dazu. Wovon lässt man sich als Theatermacher dann doch immer wieder be-zaubern?
Vor allem habe ich am Schauspielhaus Bochum erlebt, dass sich die so oft klaffende Lücke zwischen Bühnenkunst und Zuschauer schließen lässt, dass es ein ganz direktes Feedback der Menschen gibt. Ich glaube, dass deswegen auch Schauspieler dort so gerne spielen. Nach allem was ich gehört und erlebt habe, ist das Recklinghausen ähnlich.
Olaf Kröck ist neuer Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen. Zuvor war er in Bochum
Welches Theater macht Sie glücklich?
Ich mag sehr verschiedene Formen. Ich will und kann mich gar nicht entscheiden, ob ich den auf den Text konzentrierten Abend, der den Schauspieler ins Zentrum stellt, mehr schätze als das grenzüberschreitende Experiment. Für mich ist unmittelbare Gegenwärtigkeit dieser Kunst entscheidend, das gemeinsame Erlebnis einer geteilten Gegenwart...
Das qualifiziert Sie extrem für Ihr neues Amt: Bei den Ruhrfestspielen müssen Sie Zirkusdirektor sein, aber Avantgarde-Motor eben auch.
Ich muss mich dafür nicht verbiegen. Der „neue Zirkus“, den die Ruhrfestspiele zeigen, das sind hoch interessante künstlerische Arbeiten. Zugleich gibt es eine extrem starke Auseinandersetzung des Gegenwartstheaters mit dem, was Gesellschaft zusammenhält oder spaltet: Demokratie, Despotismus, Solidarität. Beides hat in unserem Festival Platz.
Sie sind Dramaturg. Jahrzehnte waren Regisseure Intendanten der Ruhrfestspiele, gleichzeitig werden immer mehr deutsche Theater von Dramaturgen geleitet.
Der Dramaturg hat zwei Züge: Er ist der Diplomat, Vermittler zwischen Kunst, Geldgebern, Publikum. Er ist aber auch Gastgeber. Ein Haus hat immer eine Wärme, wenn man spürt, jemand hat dort Lust Gastgeber zu sein. Und die habe ich.
Kröck will den Festspielbesuchern in Recklinghausen vor allem ein guter Gastgeber sein
Dem Begriff der Festspiele wohnt heute auch das Kulinarische inne. Wie schaffen Sie als dieser Gastgeber die Balance zwischen Kunstanspruch und einem amüsierbereiten Publikum?
Bleiben wir beim Bild des Gastgebers: Man kann sehr unterschiedliche Gerichte anbieten, einfache, aber auch komplizierte. Zufällig koche ich privat sehr gerne für Gäste. Um die glücklich zu machen, muss ich immer als erstes fragen: Wer kommt da? Und das ist der Grund, warum ich so Lust auf die Ruhrfestspiele habe: Sie sind das Festival in Deutschland, bei dem man am stärksten im Blick haben muss, wer da kommt.
Bestimmten Gästen würde ich meinen besten Wein nicht anbieten, weil der denen einfach zu trocken wäre...
Man muss immer wieder darüber nachdenken, was man Gästen anbietet. Aber genauso, ob man Gäste herausfordert. Seine Gäste zu unterschätzen ist ein Fehler. Ich maße mir nicht an, zu wissen, was mein Publikum will. Aber: Ich traue mir zu aus der Beobachtung dieses sehr erfolgreichen Festivals und meiner Erfahrungen mit Theater in der Region zu, eine neue Melange zu machen.
Schmeißt der Neue alles um?
Im Gegenteil: Es gab hier so viele gute, interessante und verfolgenswerte Programm-Linien – am Umschmeißen hab’ ich wirklich kein Interesse.
Kröck verspricht internationalen Anspruch und zugleich Theater für alle Menschen aus der Region
Man hört, Sie stehen für mehr Anspruch...
Um in Ihrem Bild zu bleiben: Dazu gehört auch, den besseren Wein anzubieten, bei dem ich nicht genau weiß, ob alle Zugang zu ihm finden. Wir werden 2019 ein paar Dinge wagen, wir werden Stücke haben, die nicht in der bisherigen Tradition stehen, aber für ein international wahrgenommenes Festival, das in der obersten Liga mitspielen will, halte ich das für wichtig. Zugleich ist dies hier eine Region mit fünf Millionen Menschen, die nicht alle mit Großkunst aufgewachsen sind. Für Menschen, die einfach Lust haben, „Theater zu gucken“, wollen wir genauso da sein.
Auch in Bochum haben Sie Promis wie Tatort-Ermittler als Zugpferde auf die Bühne geholt. Die Ruhrfestspiele haben es noch viel weiter getrieben: Mancher ging „zu Kevin Spacey“, ohne das Stück zu kennen. Geht es so weiter?
Wenn es allein darum geht, die Hütte mit Stars vollzukriegen, finde ich das persönlich eher langweilig. Aber: Die Ruhrfestspiele sind auch ein Festival, das für nicht wenige Menschen den „Erstkontakt“ zur Bühne bedeuten. Und wenn dazu gehört, dass man auch mit bekannten Persönlichkeiten lockt, dann halte ich das für überhaupt nicht problematisch. Denn da kommen Menschen, die dadurch erstmal zu uns finden, und das ist großartig.
2019 kommt ohne Hollywood-Stars aus. Kröck hat eine Million Euro weniger Mittel zur Verfügung
Dennoch werden die 2019er Festspiele ohne Hollywood-Star sein.
Stimmt. Wir hatten Cate Blanchett im Auge, aber es hat nicht geklappt. Isabella Rosselini hat nach Zusage aus persönlichen Gründen kurz vor Weihnachten abgesagt. Es hätte mich gefreut, aber wir haben auch ohne diese Film-Größen großartige Künstler im Programm. Andere Prominente eben, Prominente des Theaters. Und wir werden eine Reihe mit Jahrhundertzeugen haben, mit Künstlern über 80 und über 90 Jahren. Und von einem zeigen wir sogar eine Deutschlandpremiere.
Und sparen müssen Sie auch: Evonik ist nicht mehr Hauptsponsor, da fehlt richtig Geld. Eine ganze Festspielwoche fällt weg.
Stimmt. Die Entscheidung fiel vor meiner Ernennung – mir blieb nichts übrig, als damit umgehen. Einschnitte im Vergleich zu dem, was vorher da war, schmerzen. Es wird auch nur ein Theater-Zelt statt zweien geben können. Aber ich kann versprechen: Wir haben die ganze Vielfalt, für die die Menschen die Ruhrfestspiele lieben. In der Erlebnisqualität sollte es keinen Unterschied geben.
Auf wieviel Geld verzichten Sie?
Auf etwas über eine Million. (Anmerkung der Redaktion: Der Gesamtetat der Ruhrfestspiele beläuft sich auf sechs Millionen Euro)
Da macht einen stutzig, dass Sie ein neues Logo bestellt haben und das Erfolgssignet der Ruhrfestspiele abschaffen.
Das ist ein Missverständnis. Wir ändern nicht nur das Logo, wir ändern unsere Kommunikationsstrategie insgesamt. Vor allem in dem Bereich Internet, soziale Medien, sind die Ruhrfestspiele weit hinterher, obwohl sie all die Jahre auch Geld für Agenturen ausgegeben haben. Wir haben uns entschieden, alles von Grund auf neu zu denken. Von der Internetseite auf der es auch Videos geben soll, bis zum Online-Kartenverkauf, den wir in Zukunft selbst verantworten. Das spart am Ende viel Geld. Und in diesem Rahmen, um den Neuanfang zu signalisieren, ist auch ein neues Logo entstanden.
Ein Abfallprodukt demnach?
Ästhetisch ist es keineswegs ein Abfallprodukt. Aber es geht um die gesamte Kommunikation der Festspiele. Und da war es wie beim Hausbau: Irgendwann lohnt sich Renovieren nicht mehr, da ist ein „Neubau“ sinnvoller. Das Logo ist nur ein kleiner Teil davon.
Das neue Logo der Ruhrfestspiele soll signalisieren: „Es geht weiter, aber anders.“
Das neue Signet sieht aus wie eine Rune. Ich find’s seltsam.
Die Ruhrfestspiele hatte immer ein Doppel-R im Logo. Aber mit dem Ende der Steinkohle war die Anspielung auf einen Förderturm einfach keine ideale Entsprechung mehr. Wir signalisieren jetzt: Es geht weiter, aber anders. Und doch denken wir es aus der Tradition und strahlen über die Region hinaus.
Bei anderen Festspielen hat es letzthin geknirscht. Was kann man aus der Causa Stefanie Carp lernen?
Viel! Dass Öffentlichkeit kompetenter geworden ist und damit auch Leiter von Kulturinstitutionen an bestimmten sensiblen Punkten zu Recht kritischer betrachtet werden. Das gilt übrigens auch für die Kritik an unserem neuen Signet: Ich finde es erst einmal gut, dass wir eine Öffentlichkeit mit hohem kritischen Bewusstsein haben.
Was möchten Sie Mitte Juni über Ihre erste Saison sagen können?
Dass die Menschen in Neugier mitgegangen sind, auch die Veränderungen und Herausforderungen – und gemerkt haben, dass das gar nicht so weh tat. (lacht)
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ZUR PERSON
Der Niederrheiner Olaf Kröck studierte Angewandte Kulturwissenschaft in Hildesheim. Theater-Stationen des Dramaturgen waren Luzern, Essen und Bochum. Er folgt in Recklinghausen auf Frank Hoffmann, der dem Festival Rekordzahlen in der Auslastung bescherte.
ZUR LAGE DES SPONSORINGS
Auf Anfrage unserer Zeitung äußert sich EVONIK als langjähriger Hauptsponsor der Ruhrfestspiele wie folgt:
„Die Ruhrfestspiele werden auch im Jahr 2019 eines der wichtigsten Kultur-Engagements von Evonik sein. Allerdings haben wir im Rahmen unserer konzernweiten Maßnahmen zur Kostenreduktion auch unsere Sponsorings im vergangenen Jahr überprüft und einige Einschnitte vorgenommen. Zudem passen wir unsere Förderschwerpunkte inhaltlich an die Herausforderungen der Gegenwart an. Die Themen, die uns heute vordringlich beschäftigen, sind das Leben in der Migrationsgesellschaft, die Herausforderungen der Integration und das Wiederaufleben von Rassismus und Antisemitismus. Auf diese Themen wollen wir unsere Kräfte konzentrieren, und dabei kann die Kultur nur ein Baustein unter mehreren sein.“