Essen. . Von „O Tannenbaum“ bis „White Christmas“: Beim gemeinsamen Singen vor dem Fest muss nicht jeder Ton sitzen.

Scheinwerfer tauchen den Innenraum der Mehrzweckhalle in ein atmosphärisches Dunkelviolett. Fast schon grell dagegen strahlen Lichterketten neben der Bühne, immerhin in Form eines Weihnachtsbaumes. Mädchen tragen LED-Rentierhaarreifen und ölen ihre Stimmen mit Kakao. Väter und Großmütter wählen lieber Glühwein – aber den gleichen Kopfschmuck. Das verbindet, wie ihre Stimmen: zum großen Chor beim Adventssingen in der schunkelvollen Essener Grugahalle.

Rudelsingen mit weihnachtlichen Melodien erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Alleine in den Fußballstadien auf Schalke und in Düsseldorf werden an diesem Wochenende jeweils zwischen 30.000 und 40.000 Besucher zusammenkommen, um sich auf das Fest der Liebe, im wahrsten Sinne des Wortes: einzustimmen. In der Grugahalle sind es am vergangenen Samstag gut 3500, darunter 550 in festliche Kostüme gekleidete Chorsänger.

„Nur“ ein Weihnachtsmützchen auf dem Kopf trägt die Gelsenkirchenerin Lydia Dolle (33), die mit Mann Florian, Sohn Felix und Tochter Jule anreist. „Vor zwei Jahren waren wir schon mal hier und fanden es wunderschön. Am Gabentisch an Heiligabend singen wir zuhause nicht, dafür hier umso lauter. Da macht die ganze Familie mit“, sagt sie.

Insgesamt 18 Stücke stehen auf dem Programm, „Last Christmas“ von Wham ist (zur Erleichterung vieler?) nicht dabei. Dafür sind aber andere englischsprachige Klassiker wie Bing Crosbys „White Christmas“ Teil des Repertoires. Doch bevor die Besucher die Songtexte unter den Hallenhimmel schmettern, werden die Zungen erstmal unter fachmännischer Leitung gelöst. „Singt mir nach: Eeeeeey-Yoooooo“, gibt Gaststar und Leadsänger Jay Oh, 2015 Gewinner der TV-Show „Das Supertalent“, den Takt vor – es schallt beeindruckend laut aus dem Publikum zurück.

Nur keine falsche Scheu

Musikalischer Familienausflug: Lydia Dolle (li.) mit Familie und Freunden.
Musikalischer Familienausflug: Lydia Dolle (li.) mit Familie und Freunden. © Kai Kitschenberg

Ein paar „Eey-Yoos“ später sind alle Anwesenden inklusive der fünfköpfigen Live-Band bereit, es geht direkt in die Vollen: „Aaalle Jaaahre wiiieeeder kommt das Christuskind ...“ Wer seit Kindestagen gerade so den Refrain zusammenkriegt, bekommt Unterstützung. Im ausgeteilten Liederbuch oder gleich auf der Großbildleinwand.

Manch einer zeigt sich bei den ersten Songs noch etwas schüchtern. Jay Ohs Gesangspartnerin Diana Schneider vermag die Zurückhaltung aber mit sympathischer Selbstironie aufzubrechen: „Macht euch keine Sorgen, dass ihr die Töne nicht trefft. Mir passiert das auch öfter.“

Passend, dass mit Rolf Zuckowskis „Weihnachtsbäckerei“ ein generationenübergreifender Klassiker folgt. Spätestens bei „Sind die Finger rein? Du Schwein!!!“ sind alle mit dabei.

Nach 90 Minuten ist das Gemeinschaftskonzert vorbei. „Stille Nacht, heilige Nacht“ krönt das Ende eines „ganz tollen Familienevents“, wie es Jay Oh und Diana Schneider nennen. „Hier kann ich mit Partner, Kindern, Oma, Opa hingehen, aktiv sein, alle haben Spaß. Und für uns als Künstler ist es total spannend, Menschen zum Singen zu bewegen und ihnen nicht nur etwas vorzutragen. Musik verbindet halt“, sagt Jay Oh. Ganz besonders zu Weihnachten.

Schon gewusst?

Historie. Das erste Weihnachtssingen in einem deutschen Stadion wurde in der Alten Försterei in Berlin ausgetragen. 2003 trafen sich 89 Fans des 1. FC Union bei Glühwein und Gebäck heimlich und stimmten spontan gemeinsam Lieder an. Heute ist die Veranstaltung dort so beliebt, dass die 28.500 Karten für die diesjährige Ausgabe nach acht Stunden vergriffen waren.

Lieblingslied. „Stille Nacht, heilige Nacht“ hat es den Deutschen besonders angetan. Nach einer Umfrage des Statistik-Portals „Statista“ ist die 200 Jahre alte Komposition von Franz Xaver Gruber für 24,3 Prozent der Bundesbürger das Lieblings-Weihnachtslied. Platz zwei belegt „Leise rieselt der Schnee (8,1 %), „Fröhliche Weihnacht überall“ (4,8 %) folgt auf Rang drei.

Elvis. „King of Rock’n’Roll“, aber auch „King of Christmas“: Das meistverkaufte Weihnachtsalbum aller Zeiten ist mit ca. 20 Millionen Einheiten das „Christmas Album“ von Elvis Presley.

Hier ertönen die Songs zum Fest aus Tausenden Kehlen

Weihnachtssingen auf Schalke
TV-Koch Nelson Müller und Schlager-Star Ben Zucker werden die Zuschauer beim dritten Weihnachtssingen auf Schalke stimmgewaltig unterstützen. 25 festliche Songs stehen auf dem Programm.
>>> So 16.30, Veltins-Arena, Arenaring 1, Gelsenkirchen. Eintritt 14 €, Kinder bis 12 J. frei.

Weihnachtssingen in Düsseldorf
Zum Fest der Liebe können sogar Kölner mit Düsseldorfern: Brings schauen in der Merkur Spiel-Arena ebenso vorbei wie Opernstar Paul Potts und „Kelly Family“-Mitglied Patricia Kelly.
>>> So 17 Uhr, Merkur Spiel-Arena, Arenastr.1, Düsseldorf. Stehplatz ca. 13 €, Sitzplatz ca. 23 €.

3. Weihnachtssingen im Hafen Xanten
Nach zwei erfolgreichen Auflagen in den vergangenen Jahren laden das Freizeitzentrum Xanten, Sängerin Irena Möbus und die Chöre der Regenbogen-Musikschule wieder zum Festsingen im Hafen ein.
>>> Sa 18 Uhr, Plaza del Mar, Salmstr. 30, Xanten.
Der Eintritt ist frei.

1. Weihnachtssingen in Hagen
Erstmals wird auch in der Hagener Stadthalle gemeinsam gesungen. Moderiert wird die Veranstaltung von Entertainer Rolf Kuhn, der das Geschehen musikalisch auf seinem Keyboard begleitet.
>>> Do 19 Uhr, Stadthalle Hagen, Wasserloses Tal 2, Hagen. Karten ca. 14 €.