Weihnachten steht vor der Tür, es wird Zeit für eine Tanne. Die kann man geschnitten kaufen, aber auch selbst fällen. Wir haben’s ausprobiert
Zu den Weihnachtsbäumen geht es hangaufwärts. Wir stapfen zwischen winzigen Setzlingen hindurch den ausgewachsenen Exemplaren entgegen. Erstaunlich steinig ist der lehmige Grund. „Deshalb pflanzen wir hier auch Tannen an und keinen Mais oder Getreide“, erklärt mir Lennart Nüfer. Seit fast 70 Jahren versorgt seine Familie die Umgebung mit Weihnachtsbäumen vom Hof im Hattinger Wodantal. Heute verkauft der Juniorchef mir einen. Nicht irgendeinen – einen selbst geschlagenen, meinen ersten.
1000 bis 1500 Tannen fällen die Kunden pro Saison in den Schonungen oberhalb des Nüfer-Hofs. Zusätzlich netzt die Familie vor ihrer Scheune nochmal ca. 3500 vorgeschnittene Bäume ein. Hauptsächlich Nordmanntannen natürlich, andere Sorten spielen eine immer geringere Rolle. Erst recht die günstige Rotfichte: „Die stellen sich die Leute höchstens noch auf die Terrasse.“
Mein Baum soll ins Wohnzimmer, da darf’s schon eine Nordmanntanne für 19 Euro der Meter sein. Inzwischen stehen wir zwischen lauter Prachtexemplaren. Kein Wunder, werden sie doch von den Nüfers beim Wuchs in Form geschnitten. Schön dicht sollen sie sein, und gleichmäßig gewachsen. Das sind sie hier eigentlich alle, da fällt die Wahl schwer.
Motorsägen sind verboten
Doch dann sehe ich ihn, meinen Baum: Perfekt steht er da – nicht zu groß, nicht zu klein und gerade richtig breit. Jetzt gilt’s: Fallen muss er! Das Werkzeug hat Lennart Nüfer schon parat: eine Bügelsäge. Zwar spricht man gern vom „selbst geschlagenen Baum“, tatsächlich wird jedoch gesägt. Auch wenn mancher Kunde sich gerne als kanadischer Holzfäller sähe und mit dem Beil anrückt. „Die zerhacken aber nur den ganzen Stamm, außerdem ist’s gefährlich“, so der 41-Jährige. Noch schlimmer: „Motorsägen – die sind bei uns verboten. Ich hatte mal einen in der Schonung, der hätte seinem Kind beinahe den Fuß abgetrennt.“
Also: Her mit der Bügelsäge! Die Nüfers haben reichlich davon: „Einige Kunden kaufen sich extra eine und lassen sie dann hier liegen. Anfangs hatten wir drei, mittlerweile sind’s über 60.“ Die werden in der Schonung von Kunde zu Kunde weitergereicht. Nur am Wochenende, wenn’s so richtig voll ist, muss man dann mal warten.
Ich setze meine nun an. Wie man sie benutzt, weiß ich: immer in der ganzen Länge. Das hat man mir vor vielen Jahren beim Jobben im Baumarkt eingetrichtert. Verbunden stets mit einer Zote, sowas bleibt hängen.
Kräftig ziehe ich durch, dicht über der Erde. Hin und her, schon bin ich zur Hälfte durch, dann fällt er, mein Baum. Gesägt, getan: Weihnachten kann kommen!
>>> Info: Nüfer-Hof, In der Porbecke 10, Hattingen, www.nuefer-hof.de
Ein Video vom Sägen sehen Sie auf www.waz.de/tanne
Das müssen Sie wissen
Zehn Jahre braucht ein Weihnachtsbaum durchschnittlich, bis er groß genug fürs Fest ist.
25 Millionen Bäume werden pro Jahr in Deuschland verkauft, 90 Prozent davon stammen aus heimischer Produktion.
75 Prozent der deutschen Weihnachtsbäume sind heute Nordmanntannen. Bis Ende der 50er-Jahre war die Rotfichte der beliebteste Baum, in den 60er- und 70er-Jahren die Blaufichte.
Lamas erobern als Trend-Dekotier in diesem Jahr auch den Weihnachtsbaum. Die Flamingos vom letzten Jahr sind 2018 aber auch noch angesagt. Als aktuelle Modefarben bei der Christbaumdekoration gelten Grün- und Petroltöne sowie der Klassiker Rot.
Harz dürfte den Weihnachtsbaumschmückern in diesem Jahr weniger an den Fingern kleben. Der trockene Sommer hinderte die Bäume an der Produktion.
Aus der Schonung in die Wohnung: Wo Sie selber sägen können.
Bäume direkt vom Stamm gibt’s an vielen Orten in der Region – am Niederrhein, im Ruhrgebiet und natürlich im Sauerland, dem größten Anbaugebiet Deutschlands. Oft lockt bei den Erzeugern an den Wochenenden auch noch Programm und Weihnachtsmarkt-Atmosphäre. Zum Beispiel auf dem Schulte-Drevenacks Hof in Hünxe (Dinslakener Str. 3): Am zweiten und dritten Advent gibt’s hier einen Markt mit Honig, Tee und mehr. Kinder vergnügen sich bei Kutschfahrten und Stockbrot-Grillen. Auf dem Hof Kammesheidt in Essen-Kettwig (Kamisheide 50) darf an den Advents-Wochenenden in der Festscheune deftig geschlemmt werden – es gibt Grünkohl, Spitzkohlpfanne & Co. In Bestwig-Velmede geht’s mit dem Planwagen in den nahen Weihnachtsbaumwald des Forstbetriebs Wiese. In der beheizten Deelenscheune kann man sich an den Hofaktionstagen am zweiten und dritten Advent mit Punsch und Braten stärken. Die Kleinen dürfen derweil u.a. auf Ponys reiten.
>>> Info: Mehr Tipps gibt’s online auf: www.waz.de/baumschlagen