Essen. Die Verfilmung des Frank-Goosen-Romans „So viel Zeit“ kommt ins Kino. Es geht um die Wiederauferstehung einer Band – das Ergebnis ist sehenswert.

Frank Goosen ist mit seinen Romanen und Erzählungen seit seinem Debüt mit „Liegen lernen“ (2000) so etwas wie der Chronist des Ruhrgebiets geworden. Gebürtig aus Bochum, lässt er auch seine Prosa meist in dieser Stadt spielen. Allerdings wirkt sein Ruhrpott immer ein wenig nostalgisch, ist eher voll von Backsteinhäusern und Montanstaub als von der Urbanität der Gegenwart. In Philipp Kadelbachs Verfilmung von Goosens Roman „So viel Zeit“ kann man das jetzt wieder einmal deutlich sehen. Bis auf eine Ausnahme leben alle Protagonisten des Films, selbst der Zahnarzt, in heruntergekommenen Gemäuern, fahren betagte Autos und steuern an der Digitalisierung glatt vorbei.

Eigentlich sieht es immer noch in etwa so aus wie in den frühen 80-er Jahren, als sich die Band, um die es hier geht, auf dem Höhepunkt ihrer Popularität befand. „Bochums Steine“ hatten sich die fünf Musiker genannt, und alles wäre vermutlich noch einige Weile gut gelaufen, hätte Bassist Rainer (Jan Josef Liefers) nicht seinen Mitstreiter Ole (Jürgen Vogel) in einem Wutanfall von der Bühne geschubst und schwer verletzt. So nahm der Aufstieg der Musiker ein abruptes Ende, mit Rainer wollte fortan niemand mehr etwas zu tun haben.

Trotz Tumors im Wohlfühlmodus

Sein fades Leben als privater Musiklehrer unbegabter Sprösslinge aber bekommt endlich einen Schub, als er vom Jubiläum des „Rockpalasts“ hört, das im Bochumer Musikclub Zeche gefeiert werden soll – dort, wo „Bochums Steine“ einst im Vorprogramm von Nena spielen durften.

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Damit ist die Zielrichtung des Films absehbar vorgegeben. Natürlich will Rainer die alte Truppe zusammenführen, mit Zahnarzt Bulle (Armin Rohde), dem Religionslehrer Konni (Matthias Bundschuh) und dem immer noch rockenden Thomas (Richy Müller). Erst ziert man sich, dann flammt der alte Geist wieder auf und selbst Ole reist aus Berlin an. Doch der Traum der alten Garde ist gefährdet, und nur einer weiß es: Rainer hat erfahren, dass er einen unheilbaren Gehirntumor hat und sein Leben nicht mehr lange währt. Er verheimlicht das vor seinen Gefährten derart, dass selbst der Zuschauer kaum eine Veränderung bemerkt. Regisseur Kadelbach und Drehbuchautor Stefan Kolditz sorgen penibel dafür, dass die komödiantische Anlage des Films nicht durch zu viel Moll zerstört wird.

Jeder hier hat sein Päckchen zu tragen

Dabei gäbe es genug, über das man nachdenken könnte, denn jeder hier hat irgendwie auch sein Päckchen zu tragen. Da ist zum Beispiel Konni, der ertragen muss, dass seine Frau sich mit einem anderen Mann „ausprobiert“. Oder der verwitwete Bulle, der seiner beiden pubertierenden Töchter kaum noch Herr wird. Dies alles registriert man, bleibt letztlich aber doch im Wohlfühlmodus hängen. Ehemals heftig zerstrittene Musiker werden schnell wieder zu treuen Männerfreunden. Allen winkt ein neues Glück im Schoße von Frauen, die nur auf sie gewartet haben. Selbst für den todkranken Rainer findet sich die sanfte Barfrau Steffi (Laura Tonke). Aber was heißt hier krank? Der Tumor hat eigentlich keine Chance gegen all die vielen Happy Ends.