Bochum. . Johan Simons hat seine Inszenierung von „Gift“ aus dem Jahr 2009 für Bochum neu aufbereitet. Sogar ein Happy End scheint beinahe möglich zu sein.

Mit dem klugen Drama „Gift. Eine Ehegeschichte“ gelang der Niederländerin Lot Vekemans ein Meisterstück, das viel gespielt wurde – auch in Bochum. 2015 reizten Bettina Engelhardt und Dietmar Bär ihr Publikum in einer Inszenierung von Heike M. Götze zu Ovationen. Neben darstellerischer Finesse beeindruckte besonders das Bühnenbild: Vor riesigen Stoffbahnen tauchte Götze die Szenerie in dichten Nebel und unwirkliches Licht, in der „Tatort“-Urgestein Bär zu bislang nicht gesehener Größe auflief.

Nur eine Intendanz später bietet sich in Bochums Kammerspielen ein Wiedersehen mit dem zerrütteten Paar. Hausherr Johan Simons brachte die Uraufführung von „Gift“ 2009 in Gent heraus. Hauptdarstellerin Elsie de Brauw wurde für ihre Rolle in den Niederlanden gar mit dem Theo d‘Or als Schauspielerin des Jahres ausgezeichnet. So scheint es eine Mischung aus Koketterie und Stolz zu sein, mit der Simons heute auf seine Arbeit zurückblickt: Denn dem Publikum so schnell hintereinander eine zweite Inszenierung des gleichen Stücks zu präsentieren, ist ungewöhnlich, aber natürlich nicht ohne Reiz.

Unfalltod des einzigen Sohnes

„Gift“ ist ein Kammerspiel der leisen Töne. Behutsam und mit fein gewirktem Sprachduktus geht Lot Vekemans darin den Befindlichkeiten eines namenlosen Paars auf den Grund, das der Unfalltod des einziges Sohnes komplett entzweit hat. Zehn Jahre nach dem Schicksalsschlag, der alles veränderte, treffen sie sich in der Trauerhalle des Friedhofs wieder, auf dem sie ihren Jakob zu Grabe trugen. Alte Wunden reißen auf, neue werden hinzugefügt. Der Schmerz um das verlorene Kind eint und trennt sie.

Auf karger Bühne von Leo De Nijs zeigt Simons das Stück auf einer großen Holztribüne, die zum Schauplatz wird für ein Pas de deux zweier herausragender Schauspieler. Die Mutter der Elsie de Brauw ist der wohl komplizierteste Mensch, dem man derzeit im Theater begegnen kann. Sie ist nervös, zappelig, hysterisch, bockig – und zugleich so liebenswert, dass man sie gleich in den Arm nehmen möchte. Dagegen geht Steven van Watermeulen als ihr Ex-Mann die verfahrene Situation analytischer an: Er ist der weniger aufbrausende Part, dessen plötzliche Wutausbrüche umso heftiger zucken lassen.

Countertenor singt vom Liebesleid

Erst zögerlich, später hartnäckiger mischt sich eine weitere Person ein: Der belgische Counter-Tenor Steve Dugardin bereichert das bittersüße Spiel mit tragischen Liebesliedern von John Dowland, mit starker Stimme, ganz ohne Begleitung. Dieser Kunstgriff trägt mit dazu bei, dass man den Eindruck gewinnt, Johan Simons werfe einen milderen Blick auf die Figuren als es seine Vorgängerin an gleicher Stelle tat. Bei Götze blieb das Paar auf Distanz, bei Simons scheint ein Happy End beinahe möglich.

Wieder am 13. Dezember in deutscher Sprache. Karten: 0234 / 33 33 55 55.