Wien. „Ich muss einfach Musik machen“, sagt der hoch begabte Geiger Emmanuel Tjeknavorian. Jetzt spielt der 23-Jährige in Dortmund, Essen und Köln.
Der große Saal des Wiener Musikvereins, das Scala Orchester, die Festspiele von Grafenegg: Emmanuel Tjeknavorians Blick in seinen Terminkalender für 2019 zeigt, wohin der hochbegabte Geiger es mit nur 23 Jahren gebracht hat. Nächste Woche ist er mit Mozart und dem Mahler Chamber Orchestra gleich drei Mal in der Region. Vor den Konzerten sprach Lars von der Gönna mit ihm.
Sie haben hart für Ihren Weg gearbeitet, aber führt das zwangsläufig an die Spitze?
Tjeknavorian: Es gibt Leute, die meinen, es gibt kein Glück. Aber irgendwo ist auch das dabei. Und: Ich bin ein gläubiger Mensch. Ich glaube fest daran, dass alles zum richtigen Zeitpunkt passiert und passieren sollte. Ich habe in meiner Jugend sehr ernsthaft, sehr intensiv geübt – und nun freue ich mich sehr, dass die Türen aufgehen.
Haben Sie als Jugendlicher je Verzicht empfunden, wenn Ihre Kumpel auf dem Bolzplatz waren?
Ich musste nie auf etwas verzichten, nach der Schule habe ich immer Fußball gespielt, Mittelfeld meistens, und wenn ich auf einer Feier mit Freunden war, dann halt nicht acht Stunden, sondern drei, aber das reichte mir eigentlich auch (lacht). Die Geige und die Musik, das ist meine größte Liebe und Leidenschaft – alles andere ist zweitrangig, und das habe ich auch immer so empfunden.
Ihre musikalische Partnerin ist 300 Jahre älter als Sie. Diese Stradivari hat eine besondere Geschichte...
Das kann man sagen: Sie schlief lange in einem Tresor, bevor sie zu mir kam.
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Bekanntlich ist so ein Safe alles andere als gut für eine alte Geige.
So ist es. Ich habe die Ehre, sie wachzuküssen. Früher habe ich nur bedingt an die ganzen Mythen zum Thema Stradivari und Guarneri geglaubt. Aber jetzt, wo ich darauf spiele: Es ist tatsächlich etwas Geheimnisvolles. Das Holz lebt, die Geige ist extrem sensibel, und, ja, sie spricht zu mir. Vielleicht nicht Deutsch, aber ich verstehe sie. Ich verbringe ja mit ihr mehr Zeit als mit jedem Menschen.
Musik als Beruf: Können Sie uns sagen, was Sie antreibt?
Ehrlich: rational gar nichts. Ich habe einfach nicht nachgedacht. Wissen Sie, wir denken auch nicht nach, wenn wir atmen oder uns verlieben. Ich hab’ als Kind nicht nach der Geige gegriffen und gesagt: „Ha, jetzt habe ich endlich ein Ausdrucksmittel“, ich habe einfach gespielt. Ich frag’ mich auch nicht nach meinen Zielen. Ich muss einfach Musik machen, ich kann nicht anders.
Was braucht man, damit Menschen einem bedingungslos zuhören?
Auf der Bühne zu bestehen und eine Karriere zu machen, besteht nicht nur aus einem guten Geigenspiel. So banal es klingt: Es ist sehr körperlich, man muss die richtige Physis besitzen, dazu gute Nerven. Geduld ist wesentlich, Verständnis, Kompromissbereitschaft. Und die musikalische Botschaft! Es muss jemand auf der Bühne stehen und mit seinem Instrument erzählen, mit dem Publikum sprechen. Klar, kann man einfach mit Technik und Virtuosität faszinieren, aber mehr als zehn Jahre trägt das nicht.
Der Klassik-Markt des 21. Jahrhunderts ist kein Streichelzoo. Ist Konkurrenz ein Thema für Sie?
Ich habe in meinem Leben das Wort Konkurrenz nur in Interviews gebraucht. Wenn Sie so wollen, gibt es das in meinem Wortschatz nicht. Ich predige fast missionarisch: Freunde, respektiert Eure Kollegen, liebt Eure Kollegen! Ich weiß ja, wie knallhart das Leben eines Künstlers ist. Und was Konkurrenz angeht: Schauen Sie in den Himmel, da sind Millionen Sterne. Auch der musikalische Himmel ist groß genug! Es ist albern, einen guten Kollegen zu hören und dann Angst zu haben, er könnte mir ein paar Konzerte wegschnappen. Ehrlich: Ich bin der erste, der sich freut, wenn ein gleichaltriger Geiger fantastisch spielt. Wenn ich eine schöne Aufnahme höre, hole ich mir die E-Mail-Adresse und schreibe ihm oder ihr – um Danke zu sagen für diese Inspiration.