Dortmund. . Gastspiel eines ganz Großen: Herbert Blomstedt gestaltete mit der Staatskapelle Dresden einen denkwürdigen Konzertabend in Dortmund.

So groß die Versuchung ist: Es wäre falsch, wenn nicht kitschig, Herbert Blomstedts denkwürdiges Konzert am Donnerstag als Geschichte vom Triumph eines Hochbetagten zu erzählen. Gewiss – dass ein Dirigent im 92. Lebensjahr fast zweieinhalb Stunden stehend ein Riesenorchester (ver)-führt, dass er von Werk zu Werk an diesem Abend nicht müder, sondern tänzerischer agiert, dass er den einem Sturz geschuldeten Sitzhocker nun wieder hat in die Rumpelkammer stellen lassen: Sowas elektrisiert. Und vermutlich gibt es einen kleinen Teil, der des Staunens wegen gekommen ist.

Die Klassik-Gemeinde aber weiß es besser: Herbert Blomstedt war immer einer der Besten. In manchem gar den Berühmteren überlegen: Masur im Intellekt, Maazel in der Wärme, Solti im Abgrenzen von klinischer Akribie. Nur landen Bescheidene, sein zentraler Wesenszug, halt weniger oft auf dem Parkett des Klassik-Boulevards. So zeichnen Abende wie dieser mit der kostbar sinnlich spielenden Staatskapelle Dresden nicht einen Alten aus, sondern einen Großen. Brahms’ erstes Klavierkonzert etwa bot eine unvergleichliche Adagio-Poesie. Ist es Blomstedts sehnsüchtiges „Verweile doch!“, wenn er das jede Langsamkeit in Spannung haltende Orchester fast zum Stillstand anhält – und Gänsehautmomente noch und nöcher schenkt? Dazu die stolze Reife von Herz und Hand, mit der Leif Ove Andsnes den Flügel regiert, köstlich ausgesungen, Kraft nur, wo nötig, sonst feinster lyrischer Anschlag – dem er in seiner dem neuen „Chopin“-Album geschuldeten Zugabe noch einmal nachgehen konnte.

Brahms’ erste Sinfonie folgte, wunderbar sanglich geformt, schlank und sehr stringent in den Schicksalssträngen, aber auch weltumarmend musikantisch. Und sie war so aufgeladen von Blomstedts dramaturgischer Raffinesse, dass das berüchtigte, fast häsische Haken schlagende Pizzicato nur als Beispiel genannt sei: Die Staatskapelle gießt in diese Miniatur noch eine satte Klang-Welle hinein. Mitgerissen, reich beschenkt war das Publikum im ausverkauften Haus. Sächsische Zugabe war das Werk ihres 1826 verstorbenen Chefdirigenten: die feinstens auskolorierte „Oberon“-Ouvertüre Carl Maria von Webers.