Regisseur Paolo Sorrentino zeigt mit „Loro“ eine Satire auf das Italien des Silvio Berlusconi.

Kann denn Selbstliebe Sünde sein? Der Mann, von dem alle nur in der dritten Person ohne Namen sprechen, ER also stellt sich diese Frage nicht. ER lebt sie einfach lustvoll vor, wenn ER sich von seinem Butler morgens für einen neuen Tag zurechtmachen lässt auf seinem edlen Landbesitz, wo es sogar einen künstlichen Vulkan im Garten gibt. Zwischendurch prüft ER natürlich nach, ob ER noch gefragt ist. Und um die eigenen Krallen zu schärfen, verkauft ER einer lieben Freundin eine Immobilie; viel zu teuer, wie sich versteht.

Denn ER ist ein Verführer. Dreimal schon hat ER es an die Spitze des Staates geschafft, bereicherte sich ungeniert, wurde aus dem Amt gejagt, kam zurück, glorreicher als zuvor. Jetzt juckt IHN eine vierte Amtszeit. Die nötige Unterstützung holt er sich leicht. Die Leute stehen ja Schlange, um IHM zu schmeicheln, damit ER sein Wohlwollen über sie ausgießt. Es ist ja so leicht mit Italien zu spielen.

Er, das ist selbstredend Silvio Berlusconi, der es wie kein Zweiter versteht, die Menschen zu verführen, weil er genau weiß, was sie sich von ihm erträumen. Und es lag auf der Hand, dass es nur einen Mann geben konnte, der das Wagnis einer filmischen Annäherung meistern würde, ohne sich dabei in geifernder Parteinahme zu verlieren. Paolo Sorrentino hatte vor zehn Jahren mit „Il Divo – Der Göttliche“ Italiens ewiger grauer Eminenz des Regierens Giulio Andreotti ein filmisches Denkmal gesetzt. Danach war er für sein gigantisches Meisterwerk „La Grande Bellezza“ mit Preisen (etwa dem Europäischen Filmpreis und dem Auslandsoscar) überschüttet und als einziger legitimer Erbe Federico Fellinis gefeiert worden.

Ein bitterböser Zerrspiegel

Und nun legt Sorrentino nach mit einem bitterbösen satirischen Zerrspiegel, der gleichermaßen amüsant und sinnlich mit schönen Frauen und schicken, gierigen Typen als Lockstoff das Publikum auf seine Seite zieht.

Zweieinhalb Stunden dauert der Film, was durchaus Längen im erzählerischen Fluss mit sich bringt, aber immer noch eine Stunde kürzer ist als die zweiteilige italienische Kinofassung. Sicher wirkt manches selbstverliebt, wenn die Kamera schöne Körper und luxuriöse Dekorationen auslotet. Es ist aber genau diese trügerische Politur, die in kongenialer Analogie das System Berlusconi auf den Punkt entlarvt. Und wieder einmal ist es Sorrentinos Lieblingsschauspieler Tony Servillo, der in der Hauptrolle fast gänzlich hinter einem perfekt ausgestalteten Maskenbild zu verschwinden scheint und doch nur einen Blick oder eine kleine Geste benötigt, um zu erwirken, dass der Lebenslauf eines Gegenübers Zukunft hat oder eben nicht. Wie immer bei Sorrentino sieht das atemberaubend gut aus. Großes Kino eben.