Essen. . Drei Monate lang war der Berliner Schriftsteller Ralph Hammerthaler (52) im Ruhrgebiet unterwegs – um für seinen neuen Roman zu recherchieren.

Es gibt Dinge, die kann man für Geld nicht kaufen. Straßenbahnfahren zum Beispiel. Ralph Hammerthaler freut sich auf beinahe kindliche Weise, als er davon erzählt: Dass er am nächsten Morgen in Essen tatsächlich eine Bahn fahren wird! So, wie (vielleicht) der Held seines neuen Romanes – der (ganz sicher) im Ruhrgebiet spielen wird. „Schreiben ist ja auch etwas Körperliches“, sagt der 52-Jährige, der gespannt ist: „Wie sich das anfühlt, wenn ich – ich allein! – so eine Bahn in Bewegung setze.“

Solidarität „als ein Wert“ und „egal in welcher Schicht“

Drei Monate lang war der Berliner Schriftsteller im Ruhrgebiet unterwegs, nicht immer per Bahn, aber immer mit Begeisterung. Nicht nur der Tonfall der Menschen – vom Manager bis zur Verkäuferin – sondern auch die große Bereitschaft zum Engagement hat ihn beeindruckt – „jeder macht hier irgendwas, hilft irgendwo“. Immer wieder ist ihm die Solidarität begegnet, „als ein Wert“ und „egal in welcher Schicht“; das sei „schon eine Nachricht im heutigen Deutschland“. Die Wurzeln der (Arbeiter)-Kultur hat er erkundet, aber auch an den Rändern recherchiert: Aus der Begegnung mit einem Hooligan, daraus könnte man einen ganz eigenen Roman machen.

Das Literaturbüro Ruhr und das Oberhausener Literaturhaus haben Hammerthalers Recherchen unterstützt, ein Zimmer im Oberhausener „Gdanska“ finanziert, Lesungen und Auftritte organisiert, von denen manche Wieder-Begegnungen waren: Im vergangenen Jahr hat der Autor bereits für einige Wochen in Oberhausen gelebt und über die Menschen der Marktstraße geschrieben. Es ist nicht das erste Stipendium für den promovierten Soziologen und nicht der erste Roman, der aus Begegnungen vor Ort entsteht. Der „Kurze Roman über ein Verbrechen“ etwa seziert das Brandenburger Dorfleben, von Aufenthalten in Prishtina und Split ist der alsbald erscheinende Roman „Kosovos Töchter“ geprägt – und das aktuelle Werk „Unter Komplizen“ (ebenfalls im Berliner Verbrecher-Verlag erschienen) lotet in einem Reigen von Künstler-Figuren das Stipendiatenleben selbst aus.

Autor führt „ein exklusives Leben in Armut“

Die tendenziell prekäre Künstlerexistenz aber sieht Hammerthaler vor allem als: Freiheit. „Wer kann im Leben schon das machen, worauf er Lust hat – und das die ganze Zeit?“, sagt er. Und: „Ich führe ein exklusives Leben in Armut“ – oder doch jedenfalls „auf einem studentischen Niveau“, inklusive einer günstigen Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Neben Romanen schreibt er Theaterstücke, auch zwei Opernlibretti zählen zum Werk. Nie bereut habe er, beteuert Hammerthaler, damals nach zwei Jahren als Zeitungsredakteur das freie Künstlerdasein zu wagen. Was er im kommenden Jahr machen wird? „Ich schreibe den Ruhrgebietsroman. Und hoffe, es gibt ein Stipendium. Sonst weiß ich nicht, wovon ich leben soll.“

An zwei Abenden stellt Ralph Hammerthaler sich vor: Dienstag, 13.11., um 19.30 Uhr, Museum Strom und Leben in Recklinghausen (Uferstraße 2-4). Mittwoch, 14.11., 19.30 Uhr, Dortmunder Künstleratelier Mathias Schubert (Sonnenstraße 22). Beide Abende moderiert Matthias Bongard. Karten (10 €): buero@literaturbuero-ruhr.de