Essen. . Das Aalto-Ballett begeistert mit John Crankos Ballett-Psychodrama „Onegin“ – und erntet Ovationen.

„Onegin“ nannte John Cranko (1927-1973) sein spannendes Ballett-Psychodrama, das 51 Jahre nach der Stuttgarter Uraufführung Kult-Status erreicht hat. Rund um den Globus führen Topkompanien diese packende Liebestragödie zwischen Gutsbesitzer Eugen Onegin und Tatjana und zwischen Onegins Freund Lenski und Tatjanas Schwester Olga auf. Dass das abendfüllende Handlungsballett eines der bedeutendsten Choreographen des 20. Jahrhunderts immer noch ein Publikum in seinen Bann zieht, die Figuren das Publikum berühren, beweisen jetzt das Aalto-Ballett und die Essener Philharmoniker unter Johannes Witt. Mit Ovationen gefeiert wurden Tänzer, Orchester und Supervisor Reid Anderson. Er selbst tanzte noch unter Cranko und wacht bis heute darüber, dass ‚Onegin’ stilecht aufgeführt wird.

Dazu gehört auch der rauschhaft romantische Sound mit einer Collage von Tschaikowsky-Kompositionen (arrangiert von Karl Heinz Stolze). Nicht eine Melodie stammt aus der Oper „Eugen Onegin“ von Tschaikowsky. Das einzig Verbindende zwischen Ballett und Oper ist der Versroman von Alexander Puschkin.

Blitzartige Hebefiguren elektrisieren

Rekonstruktionen nach so langer Zeit können leicht Staub ansetzen. Das Erstaunliche ist aber, dass hier weder Dekor (Garten, Schlafgemach, opulenter Ballsaal etc.) von Thomas Mika noch Cranko psychologische Choreographie und zwingende Personenregie etwas Altbackenes haben. Die dramatisch aufwühlenden Pas-de-deux von Onegin (Liam Blair) und Tatjana (Yurie Matsuura) mit ihren blitzartigen Hebefiguren elektrisieren, auch wegen ihrer Klarheit und brillanten klassische Technik. Es bleibt zwei Stunden hochemotional, auch wenn Yanelis Rodriguez (Olga) mit Onegin unbeschwert flirtet und damit, ungewollt, ihren Geliebten Lenski (Davit Jeyranyan) in rasende Eifersucht versetzt. Das tragische Ende, gipfelnd in einem Duell der beiden Freunde, nimmt seinen Lauf.

Tatjana löst sich mit befreienden Drehsprüngen

Die stärksten Momente bietet der dritte Akt: Die anfangs von Onegin verschmähte Tatjana wirft sich in einer Nachszene wieder in die Arme von Onegin. Zehn Jahre später rutscht er nun vor ihr auf den Knien, hat seine Liebe entdeckt. Doch sie bleibt ihrem Ehemann Gremin treu, löst sich aus Onegins heftiger Umarmung mit befreienden Drehsprüngen. Und verbannt ihn aus ihrem Leben.

Wenn Yurie Matsuura im Schlussbild verzweifelt und allein auf weiter Flur steht, erinnert sie an einen archaischen Racheengel. Sekunden Stille, dann stürmische Bravorufe.

Tickets: 0201/ 8122 200, Termine: 15., 25., 30. Nov., 25., 26. Jan., 23. März. www.theater-essen.de)