Dortmund. . Tankstellen, Tusche-Skizzen und Sitzschalen aus dem Stadion: In Dortmund präsentiert sich das neue Baukunstarchiv NRW.
Das neue Baukunstarchiv NRW am Ostwall ist noch nicht eröffnet, da ist das erste Kapitel einer Erfolgsgeschichte schon geschrieben: Nur die Gemeinschaftsleistung von vielen Beteiligten und Bürgern hat das Denkmal als Kulturort gerettet und lässt es wieder strahlen. Und endlich gibt es im Land einen Ort der Baukultur, der mit einem überregional bedeutsamen Archiv und neuer Bibliothek wichtige Forschungsstelle und lebendiger Ort der Kommunikation über Architektur, Bauwesen und Stadtplanung sein will. Allein 11 Ausstellungen füllen bereits das Jahresprogramm 2019.
Kaum ein Dortmunder Gebäude in der City erzählt eine so wechselvolle Geschichte wie das Haus Ostwall 7: Vor 143 Jahren als Landesoberbergamt gebaut, dann Museum, im Krieg zerstört, auferstanden aus Ruinen und mehr als 50 Jahre lang eine der ersten Adressen für moderne Kunst in Westfalen. Es folgten der Kampf gegen den Abriss und ein langer, auch schwieriger „Zwischenraum“. Jetzt also die nächste Verwandlung.
Wohin mit den Werken von Baumeistern?
Für Nordrhein-Westfalen, größtes und bauintensivstes Bundesland, erhält die Stadt Dortmund das Baukunstarchiv NRW. „Überfällig“ sei das gewesen, betont Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer, die immer wieder von Erben angesprochen wurde. Wohin mit den Werken von Baumeistern? Vor- und Nachlässe der Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur, des Städtebaus und des Bauingenieurwesens werden künftig in Dortmund verwahrt. Studien vor Ort, öffentliche Veranstaltungen, Fach-Tagungen, Ausstellungen sind geplant.
Eine gemeinnützige Gesellschaft, bestehend aus der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, der Stiftung Deutscher Architekten, der Ingenieurkammer- Bau NRW und dem Förderverein Baukunstarchiv übernimmt den Betrieb. Jeder Gesellschafter bringt Personal ein, die Stadt Dortmund stellt das „grandiose Gebäude, die Baukultur hätte keinen besseren Ort finden können“, sagt Oberbürgermeister Ullrich Sierau.
Das Baukunstarchiv NRW fängt nicht bei Null an: Seit 1995 pflegt die Technische Universität Dortmund das Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW. Gesammelt wurden bereits 80 Vor- und Nachlässe, darunter so bekannte wie die des Architekten Harald Deilmann oder des Bauingenieurs Stefan Polónyi. Auch das gestalterische Erbe des Architekten Josef Paul Kleihues, einer der bedeutendsten deutschen Architekten der Bundesrepublik, wanderte nicht nach Berlin, sondern kam nach Dortmund. Die TU als Kooperationspartner übernimmt die wissenschaftliche Leitung, in persona vor Ort Regina Wittmann.
Knapp zwei Jahre dauerten Planung und behutsame Ertüchtigung mit Blick auf historische Details (Architekten Spital-Frenking + Schwarz), mit veranschlagten 3,5 Millionen Invest schaffte das Kollektiv eine Punktlandung, betont Geschäftsführer Markus Lehrmann. Viele Spender halfen bei der Einrichtung, stifteten Küchen, Fliesen oder auch Türklinken, richteten die Architekten-Lounge oder eine Co-Working-Area ein.
Ab Sonntag ist das Haus mit seinen 3000 Quadratmeter Nutzfläche für Besucher offen. Die erste Ausstellung präsentiert die bestehende Sammlung: 80 Objekte – jeweils ein Werk aus einem Bestand. Da wird die oft verschmähte „Flachware“ plötzlich plastisch. Ausstellungsmacher Christos Stremmenos hat zusammen mit Studierenden der TU die Ausstellungs-Architektur erdacht.
Original-Entwürfe von Yves Klein und Walter Ruhnau
Plexiglaskästen auf schlicht-schönen weißen und grauen Podesten setzen die Exponate in Szene: seien es kunstvolle Tusche-Zeichnungen von Kapitellen, Original-Entwürfe von Yves Klein und Walter Ruhnau für das Musiktheater im Revier, eine spacige Tankstelle aus den 1930-er Jahren für Shell, Tapetenentwürfe oder das mannshohe Modell des Reinolditurms als Großfoto. Im Gartenzimmer haben Modelle ihren großen Auftritt oder auch die Sitzschale fürs Düsseldorfer Rheinstadion. Besucher sollten viel Zeit mitbringen, das Haus, seine Geschichte und seine Schätze neu zu entdecken.
Oder einfach immer wiederkommen.
Eins Zwei Drei…Baukunstarchiv, Ausgesuchte Werke aus der Sammlung: 5.11.2018 bis 10.2.2019, Di, Mi, Fr, Sa, So 14-17 Uhr, Do 14-20 Uhr.
Ausstellungseröffnung am Sonntag, 4. November, um 14 Uhr. Führungen und Sonderöffnungen auf Anfrage. Infos: www.baukunstarchiv.nrw