Essen. . Ein deutsches Roadmovie? Geht! Am Mittwoch kommt „25 km/h“ in die Kinos – eine Tragikomödie um zwei Brüder mit Lars Eidinger und Bjarne Mädel.

Amerika ist die Heimat des Roadmovies. Da gibt es die Weite für den Blick in die Ferne, der zugleich nach innen führt. Deutschland ist nicht das Lieblingsland des Roadmovies, weil es klein ist, dicht besiedelt und präzise ausgeschildert. Gelingen können deutsche Roadmovies nur, wenn sie sich diese Faktoren zunutze machen.

Dabei steht ihnen am ehesten zu Gesicht, wenn sie mit der Reibung eines wenig homogenen Gespanns arbeiten, und am besten klappt das, wenn zwei Männer unterwegs sind. Detlev Buck lieferte dafür den Beweis mit „Wir können auch anders“, Til Schweiger legte nach mit „Knockin‘ on Heaven’s Door“ und auch Fatih Akins „Tschick“ und Sebastian Schippers „Absolute Giganten“ blieben dem Konzept weitgehend treu, wobei letzterer aus Hamburg gar nicht herauskam. Und nun gibt es „25 km/h“ von Markus Goller („Friend­ship!“).

Zu spät zur Beerdigung des Vaters

Lars Eidinger ist Christian, der als Businessman rastlos durch die Welt reist und die Frage nach dem, was er gut kann, mit „Einchecken auf den letzten Drücker“ beantwortet. Christian kommt allerdings unverschuldet zu spät zur Beerdigung seines Vaters, aber sein Bruder Georg (immer gut: Bjarne Mädel), der hier, im schwäbischen Kaff, hinter den sieben Bergen der enttäuschten Hoffnungen und Träume steckenblieb, ist trotzdem angefressen. Die Brüder prügeln sich. Später in der Nacht, nach einer heftig umkämpften Tischtennispartie, raufen sie sich zusammen und büxen auf ihren alten frisierten Mofas aus, um einen alten Jugendwunsch wahr werden zu lassen – eine Fahrt zur Ostsee.

Na also! Da hat sich das deutsche Roadmovie, befreit von Temporausch und Weite, zu einem richtigen Kinovolltreffer aufgeschwungen. Die Story von den ungleichen Kumpels, die erst gar nicht und dann immer besser miteinander klarkommen, ist hier zum Konflikt unter Brüdern verdichtet, der traumwandlerisch die Mittellinie zwischen Heiterem und Besinnlichem, Spaß und Spannung befährt. Das vorzügliche Drehbuch schrieb Oliver Ziegenbalg, der hier etliche Linien seines Drehbuchs zu „Friendship!“ aus der US-Prärie in deutsche Seitenstraßen rund um Weinfeste und Campingplätze verlegt. Der wesentliche Kunstgriff ist aber, dass da zwei Männer auf Mofas wieder Jungs sein müssen, um erwachsen werden zu können.

Potente, Lara, Möhring, Hüller

Lars Eidinger und Bjarne Mädel sind glänzend aufgelegt, als ungleiche Brüder im Dauerclinch, im Flirt mit den Weinschönheiten Franka Potente und Alexandra Maria Lara, im Krieg mit Camper-King Wotan Wilke Möhring, der alle Auseinandersetzungen an die Tischtennisplatte verlegt, oder in der Kollision mit den eigenen Träumen, wenn sich Georg doch noch aufrafft, seine Jugendliebe (Sandra Hüller schwäbelnd!) zu erobern.

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Der coole Kniff fürs Auge: Die beiden Hauptdarsteller bestreiten den Film in Anzug und Krawatte und unterlaufen so das Bild deutscher Normalität. Es spricht dabei für Regie und Darstellung, dass keine Travestie der Blues Brothers oder der Men in Black draus wird. Die lässige Selbstverständlichkeit macht klar, dass es im Kino nicht nur auf die Dialoge ankommt, sondern auch darauf, was die Leute tragen, wie sie sich darin bewegen und wie das gefilmt ist. Kameramann Frank Griebe, der vor zwanzig Jahren bei „Lola rennt“ immer auf der Höhe des Geschehens war, findet auch hier einen attraktiven Blick für Nahaufnahmen, die einfühlsam, aber nicht bedrängend sind, die Chic haben, aber nicht damit angeben. Deshalb hat der Film viele Stars – die Menschen, die Mofas, die Straße. Und es ist großartig, dabei Zuschauer zu sein.