Düsseldorf. . „Götterdämmerung“, ganz regional: Regisseur Hilsdorf beendet an Düsseldorfs Rheinoper Wagners „Ring“.
Der „Ring“ ist geschmiedet, auch wenn er nicht ganz so rund gelungen ist, wie man es sich wünschen könnte. Immerhin muss man der Deutschen Oper am Rhein zugestehen, dass sie nach über 25 Jahren überhaupt wieder einmal den Kraftakt, mit dem Wagners „Ring des Nibelungen“ alle Ressourcen eines Opernhauses einfordert, gewagt hat. Und das fast gleichzeitig in den Häusern von Düsseldorf und Duisburg mit zwei völlig unterschiedlichen und nahezu ebenbürtig guten Besetzungen.
Die Dankbarkeit des Publikums nach der Premiere der „Götterdämmerung“ im voll besetzten Düsseldorfer Opernhaus war nicht zu überhören und schlug sich in fast hysterischen Beifallsstürmen nieder, in die sich freilich auch Buh-Salven für Regisseur Dietrich W. Hilsdorf wie aus dessen besten Zeiten einschlichen. Dabei gibt der Regisseur seit geraumer Zeit keinerlei Anlass mehr für entrüstete Proteste. Und auch in seiner „Ring“-Inszenierung wagt er sich nicht weit aus dem Fenster gemäßigter Konfektionsware. Der Blick aus dem Fenster lässt sich wörtlich nehmen, wenn man, wie Hilsdorf, ein von globaler Kritik an Kapitalismus und Naturzerstörung getragenes Werk wie den „Ring“ aus der engen Perspektive bürgerlicher Unternehmerfamilien entwickeln und letztlich zu einem Kammerspiel reduzieren will. Da deuten mit einem Kampfhubschrauber in der „Walküre“ und einem Lokomotivschuppen im „Siegfried“ zwar ein paar Anzeichen auf Kriegsszenarien und die Gefahren der Industrialisierung hin, die einen Blick außerhalb der edlen Wohnsalons erlauben. Ausgerechnet in der „Götterdämmerung“ jedoch verengt Hilsdorf den Blick auf eine regional, wenn nicht gar provinziell begrenzte Rheinlandschaft. Man spielt auf einem Rheinschiff, im ersten Akt vor einer romantisch gefärbten Kulisse, im letzten Aufzug vor einer Industrie-Silhouette. Und im Mittelteil entpuppt sich der Chor als Karnevalsverein mit Tanzmariechen und entsprechend kostümiertem Hofstaat. Rheinischer geht’s kaum, auch wenn die Narren die Untergangsstimmung der „Götterdämmerung“ nicht anheben können. Warum sollten sie auch?
Brünnhilde setzt Schiff und den Rhein in Flammen
Schließlich ist die Narretei nicht gerade das angemessene Ambiente, um zu Wagners Blick in eine ungewisse Zukunft aussagekräftig Stellung beziehen zu können, nachdem die Welt nach einem zerstörerischen Krieg vom Fluch des „Rings“ durch Feuer und Wasser erlöst worden ist. Bei Wagner schauen die Menschen dem Reinigungsritual, das eine neue Zeit anbrechen lässt, gebannt zu und im Orchester hat ein aufmunterndes Erlösungsmotiv das letzte Wort. Bei Hilsdorf setzt Brünnhilde Schiff und den Rhein in Flammen. Menschen sind weit und breit nicht zu sehen. Unprofilierter lässt sich eine „Götterdämmerung“ kaum beenden.
Wenn von Konzeption ungeachtet aller Einwände, vor allem im „Rheingold“ und der „Götterdämmerung“, gesprochen werden kann, dann ist sie mehr dem Bühnenbildner Dieter Richter zu verdanken als dem Regisseur. Richters Bilder deuten wenigstens ansatzweise die weltpolitischen Dimensionen des Werks an, während sich Hilsdorf mit seiner langen Bühnenerfahrung auf die Charakterisierung und Führung der Figuren verlässt. Dabei gelingt ihm die Profilierung der Charaktere, vor allem der Hauptfiguren, besser als deren Führung. Es wird erstaunlich viel gesessen, während die Welt dem Ende entgegendriftet. Das führt im ohnehin langen ersten Akt der „Götterdämmerung“ zu noch spürbareren Längen und viel Leerlauf. Und wenn Hilsdorf ins Detail geht, begnügt er sich mit gediegener, konventioneller Hausmannskost. Die Chancen, die der „Ring“ als frühe Warnung vor den Auswüchsen von Kapitalismus und Umweltzerstörung jedem Regisseur bietet, lässt Hilsdorf weitgehend ungenutzt. Schade.
Generalmusikdirektor Axel Kober erntete frenetische Standing Ovations für ein Dirigat, das vor allem durch orchestrale Kraft geprägt ist. Kober lässt es mächtig krachen, bedient sich freilich streckenweise erstaunlich zäher Tempi, die durch überdehnte Generalpausen bis zum Stillstand geführt werden. Die Erzählung der Waltraute kam so kaum von der Stelle. Da kann Katarzyna Kuncio noch so schön singen. Der Spannung dienen solche Extreme wenig.
Positive Akzente setzt das Ensemble
Positive Akzente setzt insgesamt das Ensemble. Kein Wunder, wenn ein solch prachtvoller Bassist wie Hans-Peter König als Hagen zur Verfügung steht. An Hintergründigkeit steht ihm Michael Kraus als Alberich kaum nach. Und selbst die von Wagner etwas blass gezeichneten Gibichungen-Geschwister zeigen mit Bogdan Baciu als Gunther und Sylvia Hamvasi als Gutrune ein beeindruckendes vokales Format. Dass die Rheinoper immer noch über ein stattliches Ensemble verfügt, beweist sie nicht zuletzt mit den vorzüglich besetzten Damen-Trios der Nornen und der Rheintöchter. Und Michael Weinius als Siegfried konnte seine konditionsstarke Leistung, die er im „Siegfried“ schon zeigte, wiederholen. Auch Linda Watson steht die gewaltige Partie der Brünnhilde einschließlich des mächtigen Schluss-Gesangs mühelos durch, wobei ihre Stimme in den Höhen jedoch mittlerweile deutlich ausgehärtet klingt. Ohne Fehl und Tadel agiert auch der Chor, so dass das musikalische Format der Produktion über manche szenische Schwäche hinwegtrösten kann.
Beim Premieren-Publikum kommt der neue „Ring“ jedenfalls gut an.
Die nächsten Aufführungen im Düsseldorfer Opernhaus: am 1., 8. und 25. November sowie am 2. Dezember.
Der erste komplette Ring-Zyklus in Düsseldorf vom 13. bis 26. Juni 2019, im Duisburger Theater vom 23. Mai bis 2. Juni 2019. www.rheinoper.de.