Bochum. . Bochums Planetarium ist auch ein Konzertsaal. Mit großen Sinfonien können Besucher das All bereisen, Pink Floyd hat im Universum ebenfalls Platz.
Als wir – im angenehmsten Komfort eines weichen Sessels planetarischer Business-Class – in den Andromedanebel eintauchen, erwischen wir uns bei der galaktischen Empörung, dass Hollywood wirklich verdammt blöd war, diesem Anton Bruckner keinen millionenschweren Soundtrack-Vertrag unter die Nase zu halten.
Eine knappe Stunde später (und 2,5 Millionen Lichtjahre vom Nebel abgerückt) hat uns die Erde wieder. Es wird mählich hell unter der Planetariumskuppel und auch der Faszinierteste erkennt nüchtern: Dieser Bruckner war schon 80 Jahre tot, als der erste „Star Wars“ rauskam. Aber was wäre das für ein Traumpaar geworden!
Mit Beethoven und Wagner zu den Sternen
Helmut Schüttemeier ist der Mann, der Besucher des Bochumer Planetariums mit Beethoven und Wagner zu den Sternen schickt. Dieser Kosmos-Karajan mit Gespür für das Vereinen von All und Adagio war hier viele Jahre technischer Direktor. Heute steht er als Gast am Pult, Mittler zwischen Scherzo und Sphären. Aber auch Pop, sagt er, vertragen die Planeten. Wenn Schüttemeier die Beatles auflegt, ist das ein fast meditativer Akt mit Blick nach oben.
Die Reihe „Classic Space“ ist Teil jenes Erwachsenenprogramms, das den Schulklassen als Besuchern in Bochum längst den Rang abgelaufen hat. Über 80 Prozent der Gäste solcher Sternstunden kommen ganz ohne Schulpflicht: Einzelbesucher, Familien. Magneten sind natürlich die Astronomieshows („Entdeckung des Himmels“, „Vom Urknall zum Menschen“, „Milliarden Sonnen“), von denen Schüttemeiers Raumerkundungen sich mit Pauken und Trompeten in einem zentralen Punkt abheben. Sie sind kein fertiger Film.
Satte Soundanlage mit 32 Kanälen
„Ich kenne die Stücke ziemlich gut, meist gehe ich ohne Probe in den Saal.“ Was heißt das? Neben einer satten Soundanlage mit 32 Kanälen ist jene Datenbank am Mischpult seine Stütze, die den gesamten bekannten Kosmos beinhaltet: „Jeder bekannte Stern unserer Milchstraße mitsamt Koordinaten schlummert in ihr.“ Braucht diese Tour nach oben denn da einen DJ? Könnte man nicht einfach auf Autopilot stellen, dazu die kleine Nachtmusik? Helmut Schüttemeier begegnet der Laienfrage mit kundiger Freundlichkeit: „Da wäre wenig zu sehen. Sie müssen wissen, der Kosmos besteht fast nur aus Leere.“ Das Gegenteil sieht man in Schüttemeiers Choreographie zu Bruckners siebter Sinfonie: den pockennarbigen Mond, die wuchtigen Ringe des Saturn, die schöne Erde von oben...
Das Ganze ist hier im doppelten Sinne weit oben angesiedelt. Wer sonntags vor 11 Uhr sein Ticket löst, erwirbt es tatsächlich nicht selten von Professor Susanne Hüttemeister persönlich. Eine Top-Astronomin am Kassentisch? Sie sagt: „Die Konzerte sind so eine Art Keimzelle unseres individuellen Musikprogramms, da ist es Ehrensache, dabei zu sein“ – und natürlich schaut sie selber zu, ganz gleich ob Kollege Schüttemeier Tschaikowsky oder Brahms zum Mond schießt.
Mit Plattenspieler und Vinyl
Besagte „Keimzelle“ hat Geschichte. Ab 1964 – am Neubau des ersten deutschen „Nachkriegs-Großplanetariums“ war die Farbe kaum trocken – brachte der legendäre Professor Kaminski als Gründervater des Hauses seinen Plattenspieler und lauter sinfonisches Vinyl ins Haus. „Das hieß ,Die stille Stunde’“, erinnert sich Helmut Schüttemeier, in dessen Portfolio heute auch Jazz und Rock Platz haben. Für ihn gibt es nur ein Auswahl-Kriterium: „Musik, die es wert ist, konzentriert gehört zu werden.“
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Dass im Bauch der Halbkugel an der Castroper Straße unendlich viel los ist, dürften immer noch mehr Menschen wissen, finden die Macher. Dennoch haben sie die Gästezahl in zehn Jahren verdoppelt. Inzwischen sind es 270.000 pro Jahr, was das Planetarium auf Platz 2 der deutschen Sternguck-Institute katapultiert hat.
Programm hat 57 Seiten
Das aktuelle Programm hat stolze 57 Seiten: Es kommen live die „Drei ???“, es gibt Konzerte am Flügel und auf der Harfe, Rock-Balladen und Sternenbilder zu Bowie und Winehouse. Bridget Breiners Ballette als Kuppel-Bilderbogen haben sie im Spielplan und ein fetziges „Starry Christmas“.
„Wir schrecken vor nichts zurück“, lacht Susanne Hüttemeister, wenn es ums Lustmachen auf Astronomie gehe. Der Lauschangriff als Einstiegsdroge? Als die letzten Bruckner-Takte verklungen sind, wünscht DJ Schüttemeier allen einen schönen Sonntag, sagt aber auch: „Wenn Sie wissen wollen, was Sie hier alles gesehen haben, dann kommen Sie einfach mal öfter zu den rein astronomischen Veranstaltungen vorbei.“