Essen. . Sachlich und kunstvoll: Albert Renger-Patzsch hat die ewige „Zwischenstadt“ abgelichtet. Das Essener Ruhrmuseum stellt jetzt seine Arbeiten aus.
Als Albert Renger-Patzsch 1929 eine Wohnung auf der Essener Margarethenhöhe und ein Studio samt Labor im Folkwang Museum bezog, sah man die Fotografie noch irgendwo zwischen Kunst und Handwerk, aber der 32-Jährige war schon einer der Kamera-Helden in der Weimarer Republik. Auch ihn hatte man nach Essen gelockt, um das staubige Image des Kohle-, Stahl- und Ruß-Landes mit ein wenig künstlerischem Glanz zu überstrahlen.
Renger-Patzsch war bekannt geworden mit seinem Fotoband „Die Welt ist schön“, den er eigentlich „Die Dinge“ nennen wollte, weil er sich schließlich der „Neuen Sachlichkeit“ verpflichtet fühlte und im Objektiv eine Verpflichtung zu einer Art von Objektivität sah. Zu seiner gehörte ein ungewöhnlich wacher, detailgenauer Blick, „vom Zufälligen gänzlich befreit“, wie er das nannte.
Firmen- und Folkwang-Fotografie
Wie niemand sonst sah Renger-Patzsch das ewig Unfertige des Reviers, seine Widersprüche als Bauernland voller industrieller Wucherungen, wo die Schlote am Horizont Spalier für Wiesen und Äcker standen, wo es die Balkenmuster von Fachwerkhäusern mit dem Stahlgittergeflecht von Fördertürmen zu tun bekamen und dreistöckige Mietskasernen für Bergarbeiter hier und da auf freiem Feld wie Pilze aus dem Boden schossen, willkürlich, alte Katen einkeilend, mit einsamen Straßenlaternen zwischen Staketen- und Stacheldrahtzäunen. „Zwischenstadt“ hat ein kluger Kopf das einmal genannt. So wurde dieser Kamerakünstler stilbildend für das, was einmal Ruhrgebietsfotografie werden sollte, bis hin zu Bernd und Hilla Becher und ihren Schülern.
Auch interessant
Renger-Patzsch, der auch in der Nazi-Zeit mit Aufträgen aus der Industrie gut eingedeckt war und Fotobände wie „Sylt, Bilder einer Insel“, „Krippen im Erzgebirge“ oder „Das Münster in Essen“ erstellte, nahm all diese Szenen, die neuen Landschaften, die aus der industriellen Überwältigung von Mensch und Gegend entstanden, ohne Auftrag auf. Und nun bilden diese Arbeiten den Kern der Ausstellung mit über 300 Ruhrgebietsfotografien von Renger-Patzsch, die am Sonntagabend, 7. Oktober, im Essener Ruhrmuseum eröffnet wird.
Im Labor ein selten erreichter Riese
In den Nebenkabinetten sind etwa die Firmenfotografien zu sehen, die der Künstler für die Goldschmidt AG, die Gutehoffnungshütte und auch die WAZ aufnahm, als 1954 das neue Druck- und Verlagshaus in Betrieb genommen wurde. Oder Zechenbauten der Zollverein-Architekten Schupp und Kremmer, für die der Fokus des neusachlichen Fotografen das idealtypische Komplement war.
Renger-Patzsch, der übrigens nur im Wintersemester 1933/34 an der Folkwangschule lehrte, fotografierte, ohne allzugroße Ambition, aber präzise die Bestände des gleichnamigen Museums; dass er ein selten erreichter Riese im Labor war, zeigt der Vergleich seiner eigenen Abzüge mit denen anderer. Und: Ein Renger-Patzsch muss nicht aufgepustet werden, er wirkt im standardmäßigen 16,5 x 22,7-Zentimeter-Format kein Deut weniger großartig als in Vergrößerungen.