Moers. . Zwei turbulent-unterhaltsame Stunden mit durchaus karikierendem „Strich“: Ulrich Greb inszeniert in Moers Horváths Stück „Zur schönen Aussicht“.

In Zeiten von DNA-Tests kann Ödön von Horváths Stück „Zur schönen Aussicht“ eigentlich gar nicht mehr richtig funktionieren – dass da drei Männer behaupten, sie alle seien Liebhaber derselben Frau, um einem von ihnen die Zahlung von Alimenten zu ersparen, nähme sich heutzutage eher bizarr aus – und schon deshalb mag es für Ulrich Greb, den Intendanten des Moerser Schlosstheaters, nahegelegen haben, Horváths Komödie zur Spielzeit-Eröffnung zur Groteske auf die Spitze zu treiben – was in einen langen, langen und lebhaften Premierenbeifall nach zwei turbulent-unterhaltsamen Stunden mündete.

Striche hier und dort - in Moers Schlosstheaterr regiert die Freude an der Karikatur

Der leicht gekrümmte Spielraum im Schloss ist scheinbar verdoppelt durch einen langen Spiegel an der Wand, im Hintergrund stapeln sich altmodische Stühle, sie werden nicht mehr gebraucht (Bühne: Birgit Angele). Ada von Stetten, die als einziger Gast Laden, Leute und Liebesdienste am Laufen hält, ist mit einer nymphomanischen Ader ausgestattet, ihrem um Geld flehenden Bruder stellt sie gleich drei „Schwäger“ vor, und Magdalene Artelt gibt dieses dummfeudale Luxusweib mit spürbarer Freude an der Karikatur. Wie sie tragen alle in dieser kleinbürgerlichen Ausgabe des Grand Hotels Abgrund quietschgelbe Perücken, jede freilich mit einer anderen Frisur – auch der Eiertanz zwischen Mode und Individualität nimmt ja nicht selten groteske Züge an, in der Gegenwart bis hin zu körperlichen Merkmalen: Alle Mimen haben Strich-Zeichnungen auf der Haut, wie zur Vorbereitung auf den nächsten Termin bei der plastischen Chirurgie. Selbst die Kostüme (Elisabeth Weiss) scheinen von Strichen zusammengehalten zu werden.

Ulrich Greb hat auch dem 1926 entstandenen, aber erst 1969 uraufgeführten Stücktext leichte Striche angedeihen lassen, aber selbstverständlich den typischen Horváthschen Dummsprech bewahrt wie das wunderbare „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu“ der Baronin von Stetten.

Grebs Inszenierung ist ein Spiel mit doppelten Böden und einer Welt „dahinter“

Patrick Heße ist der bösartig auf seinen Vorteil bedachte Pleitier Strasser, Frank Wickermann der brutal-kriminelle Chauffeurskerl Karl. Dass sich die grundgute Christine, das klischeenahe Gegenbild zu all den menschlichen Abgründen, die das Stück auftut, am Ende in einen quietschgrünen Schutzanzug wirft und Dämpfe in das Hotel einströmen, ist ein äußerst zweischneidiger Schluss, der die Figur in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lässt.

Aber ganz ist das ja noch nicht der Schluss: es klappt ein Kruzifix von der Wand – und dann klingelt plötzlich das Telefon, das die ganze Zeit kaputt war. Da ist also noch wer. Weit draußen. Wo alles anders sein könnte.