Ein Vater strampelt sich ab: Juli Zeh erörtert im neuen Roman „Neujahr“ Erziehungsfragen – aber gerät dabei selbst aus dem Tritt.

Juli Zeh hat sehr gewichtige, sehr großartige Romane geschrieben, die immer wieder gesellschaftspolitische Verwerfungen aufs Individuelle herunterbrachen – so verpasste sie etwa mit ihrem Drogenthriller-Debüt „Adler und Engel“ dem Kapitalismus gleich mal eine Überdosis, deutete in „Corpus Delicti“ den aktuellen Fitnesswahn um zur Gesundheitsdiktatur oder zeigte in „Unterleuten“ Landlust-Städter im heftigen Windenergie-Wirbel.

Dazwischen aber verblüffte die 44 Jahre alte Schriftstellerin (und Juristin) beinahe ebenso regelmäßig mit leichter Strandlektüre – im wahrsten Sinne, schaut man auf ihren Tauch-Thriller „Nullzeit“. Auch der neue Roman „Neujahr“ spielt auf Lanzarote, einmal mehr gerät ein Urlaub aus dem Tritt: Als Familienvater Henning mit einem viel zu schweren Leihrad die Straße nach Fermés hochstrampelt, kullert er in Gedanken zugleich zurück in die jüngere und fernere Vergangenheit.

Das Austarieren von Familienarbeit und Schuldgefühl

Da geht es zum einen um die Ehe mit Theresa, um die beiden kleinen Kinder, um Theresas ewige Unternehmungslust, Hennings Überforderung – vor allem aber um das sorgsame Austarieren von Familienarbeit und Schuldgefühl. Nett ist, wie lebensnah Juli Zeh einen typischen Großelternbesuch beschreibt, die Erziehung der Generationen aufeinanderprallen lässt. Etwas arg küchenpsychologisch aber gerät das Ausloten von Hennings Panikattacken: Endlich am Gipfel angekommen, gelangt er in ein Haus, das er aus Kindertagen kennt. Nur hat er diese Tatsache erfolgreich verdrängt, ist hier doch – was die Beziehung zu seiner Mutter angeht – einst das Kind in den Brunnen gefallen.

Was Juli Zeh mutmaßlich verhandeln wollte, war die Frage, wie sehr Eltern ihr Leben in den Dienst der Kinder stellen sollten, wie heikel ein Übermaß in diese oder jene Richtung sein kann. Ihre Antworten aber fallen derart plakativ aus, dass Buchhandlungen den Roman auch gut in die Ratgeberecke stellen könnten, gleich neben hippe Zeitschriften wie „Happinez“, „Flow“, und „Emotion“.

Juli Zeh: Neujahr. Luchterhand, 192 S., 20 €