Essen. . Die Teenager-Komödie „Das schönste Mädchen der Welt“ holt das Versdrama „Cyrano de Bergerac“ in die Gegenwart – das gelingt ausgesprochen gut.

Cyril hat ein im wahrsten Sinne überwältigendes Talent. Worte und Reime fließen geradezu aus ihm heraus. Wer gegen ihn im Hörsaal beim Battle Rap antritt, hat kaum eine Chance. Cyril versteht es, jeden verbalen Angriff seines Gegners augenblicklich zu kontern und gegen ihn zu wenden. Der ‚Flow’ seiner ‚Rhymes’ reißt alles und jeden einfach mit sich mit. Aber der Oberstufenschüler hat auch eine große Schwachstelle, seine riesige Nase. Im Schulalltag wird er deswegen ständig gemobbt. Und zum Battle Rap tritt er nur mit weit über die Stirn gezogenem Hoodie und einer goldenen Augenmaske an, die er auf keinen Fall ablegen will. Also kann er seine Siege nicht genießen. Noch bevor die Siegerehrung beginnt, flüchtet Cyril mit dem Fahrrad nach Hause.

Für Aron Lehmanns Teenager-Komödie „Das schönste Mädchen der Welt“ hat das Drehbuchautoren-Team Judy Horney und Lars Kraume Edmond Rostands 1897 uraufgeführtes Versdrama „Cyrano de Bergerac“ adaptiert und seine Geschichte aus dem Frankreich des 17. Jahrhundert in unsere Gegenwart verlegt. Aus dem streitlustigen Dichter und Soldaten Cyrano ist dabei der schüchterne, durch sein Aussehen verunsicherte Cyril (Aaron Hilmer) geworden. Seine Roxane findet er bei einer Klassenfahrt nach Berlin in Roxy (Luna Wedler). Als Neue in der Stufe ist sie eine Außenseiterin. Die Hierarchien, in denen Cyril ganz unten steht, ignoriert die eigenwillige Teenagerin. Instinktiv sucht sie seine Freundschaft. Aber in einer Hinsicht ist sie wie ihre Mitschüler. Auch sie lässt sich von Äußerlichkeiten blenden. Also versteckt Cyril seine Gefühle für sie und legt seine Worte dem attraktiven, aber auch ziemlich geistlosen Rick (Damian Hardung) in den Mund.

Von einem Fettnäpfchen ins nächste

Natürlich verzichtet Aron Lehmann nicht ganz auf die typischen Elemente klassischer Teenagerfilme. Besonders die Erwachsenen entsprechen den erwartbaren Klischees. Cyrils von Anke Engelke gespielte Mutter Anja tritt bei ihrem Sohn von einem Fettnäpfchen ins nächste, und die Lehrerin Frau Reimann (Heike Makatsch) fällt vor allem durch ihren barschen Ton auf. Trotzdem werden beide nie zu Karikaturen. Sie fügen sich perfekt in diese „Cyrano“-Adaption ein, die wie auch ihr Vorbild durchaus auf drastischen Humor setzt, dabei aber nie ihre poetische Grundstimmung verrät.

Wie geschickt Horney und Kraume den Bühnenklassiker aktualisiert haben, offenbart sich vor allen in den Battle-Rap-Szenen, die sich durch bemerkenswerte Authentizität auszeichnen. In ihnen trifft „Das schönste Mädchen der Welt“ perfekt den Ton der Jugendsprache. Die aggressiven und doch spielerischen Battle Raps wirken nie aufgesetzt. Sie beziehen vielmehr auf eine ganz unaufdringliche Weise Stellung, zum einen gegen plumpen Sexismus, der in der Rap-Szene nichts Ungewöhnliches ist, und zum anderen gegen ein Leben, das sich nur in Oberflächlichkeiten verliert.