Essen. Das Publikum feierte den Dirigenten Yannick Nézet-Séguin, die Rotterdamer Philharmoniker und den Pianisten Yefim Bronfman
Das Orchester, der Dirigent, der Solist, das Publikum: der Saisonstart in der Essener Philharmonie geriet rundum fulminant. Wenn die Werke von Haydn, Liszt und Tschaikowsky die Leidenschaft als verbindendes Motto erkennen ließen, war es beim Rotterdam Philharmonic Orchestra und seinem langjährigen Musikdirektor Yannick Nézet-Séguin das hochgradige künstlerische Einvernehmen, das auch Yefim Bronfman als Solisten des Abends inklusive vierhändiger Klavierzugabe mit dem Dirigenten einschloss.
Der designierte Chefdirigent der New Yorker Met erobert die Herzen der Zuhörer mit Feuer. Drahtig, impulsiv und ohne Taktstock formend weiß der Kanadier seine Rotterdamer einzuschwören auf ausdrucksstark besessenes Musizieren bei enormer Spielkultur (allein in den Holzbläsern funkelt es von der Piccoloflöte bis ins Fagott), das rhythmische Korsett sitzt perfekt konturiert.
So nehmen sie gemeinsam die Sinfonie Nr. 49 „La Passione“ als Herausforderung gegen jedes verflachende Bild eines Papa Haydn: von Wärme und Ausdruck erfüllt, voll gespannter Stille und tragischen Schattenwürfen bis ins charmante Menuett, ebenso energiegeladen wie scharf in der Linienführung.
Zwischen Poesie und Dramatik
Die Vierte von Tschaikowsky, ebenfalls im „schicksalhaften“ f-Moll, nimmt unter Nézet-Séguins souveräner Dramaturgie als aufwühlendes Seelengemälde von quälender Sehnsucht gefangen – elegisch verhangen, wuchtig in den Fortissimo-Einschlägen, bis an die Hörgrenze geflüstert im Scherzo. Die extremen Wechselbäder der Gefühle verfehlten ihre packende Wirkung nicht.
Erst recht nicht Liszts 2. Klavierkonzert mit dem wunderbaren Yefim Bronfman am Flügel. Ruhig, hochkonzentriert und reif fächerte der US-Amerikaner die Facetten zwischen Poesie, Ausbruch und Dramatik auf, wobei die virtuos niederprasselnden Halbton-Klangkaskaden fast zur Nebensache wurden. Klavier und Orchester fanden zu einer organischen Einheit, Bronfmans kulinarischer Dialog mit dem Cello führte das Publikum zu tönenden Inseln der Glückseligkeit. Huldigender Stehapplaus.