Washington. . Die göttliche Soul-Diva Aretha Franklin ist nach langer Krankheit im Alter von 76 Jahren in Detroit gestorben. Ein Nachruf auf eine Ausnahme-Künstlerin.

Dass es ihr nicht gut ging, war bereits im vergangenen Sommer nicht zu übersehen. Are­tha Franklin gab in der Freiluft-Bühne Wolf Trap ihr letztes Konzert in Washington. 7000 beseelte Zuschauer. Drei Generationen im Publikum. Ausverkauft.

Auf die Bühne zu kommen, fiel ihr schwer. Das unwiderstehliche Lachen in den Pausen zwischen den Songs, von denen viele ein halbes Jahrhundert und älter sind, wirkte gequält.

Nur ab und zu blitzte ihr Humor auf. Als ein Fan oben von den 25-Dollar-Billigplätzen auf dem Rasen vor der Bühne plötzlich „Aretha, wir lieben Dich“ rief, gab die Frau, die gerade mit einem Gänsehaut erzeugenden „Wo-oh-a-oh-oh“ ihren Hit „Chain of Fools“ einleiten wollte, mit Glucksen zurück, „Okay, Herzchen, ich liebe Dich auch, wo sitzt Du?“.

Soul-Legende Aretha Franklin hat Kampf gegen den Krebs verloren

Kurz danach sang sie das 1987 mit George Michael aufgenommene „I knew you were waiting (for me)“. Darin heißt es: „Wie ein Krieger, der kämpft, um die Schlacht zu gewinnen….“

Aretha Franklin hat den vor acht Jahren begonnenen Kampf gegen den Krebs verloren. Die in Memphis geborene Soul-Diva, die der Welt einen musikgenetischen Fingerabdruck der besonderen Art hinterlässt, ist am Donnerstag in Detroit im Kreise ihrer Angehörigen gestorben.

Nicht nur Amerika verbeugt sich in tiefstem R-E-S-P-E-C-T.

Aretha Franklin im „Caesars Palace“ 1969 in Las Vegas.
Aretha Franklin im „Caesars Palace“ 1969 in Las Vegas. © Reuters

Mehr als 50 Jahre ist es her, dass Aretha Franklin sich das gleichnamige Lied des großen Otis Redding aneignete. Sie stellte den Song, der von einem selbstgerechten Jammerlappen handelt, der über die harsche Gattin klagt, nicht nur emanzipatorisch vom Kopf auf die Füße. Mit ihrer spirituellen Stimme wurde das an alle Weißen adressierte Lied auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung um Dr. Martin Luther King zur inoffiziellen Nationalhymne im schwarzen Amerika.

Aretha Franklin hat 40 Top-Ten-Hits und gewann 18 Grammys

In den „Fame“-Studios in Muscle Shoals/Alabama legte die Tochter des Baptistenpredigers Clarence Franklin 1967 mit „I Never Loved a Man The Way I Loved You“ das zwischen Lust und Erlösungssehnsucht angesiedelte Fundament für ihre Ausnahme-Karriere: 40 Top-Ten-Hits, 18 Grammys, grenzenlose Bewunderung. Die Franklin, der man zu Anfang belanglose Liedchen auf den Leib schrieb, sang vor Päpsten und Präsidenten.

Jerry Wexler, damals Chef des Platten-Labels Atlantic, hatte erkannt, dass man die Klavier-Virtuosin nicht in kompositorische Zwangsjacken stecken darf. Die Naturgewalt ihrer Stimme entfaltete sich nur, wenn man der Franklin freien Lauf ließ. Dann aber galt: Tempotaschentücher bereithalten. Was sie aus den Tiefen der Seele hervorholte, konnte Granit zerbröseln lassen.

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Präsident Barack Obama, für den sie bei der ersten Amtseinführung 2009 vor zwei Millionen Menschen sang, liefen bei einem Konzert Tränen übers Gesicht. Die zeitlebens unter Lampenfieber, Essstörungen und Flugangst leidende Hobbyköchin hatte sich im Kennedy-Center von Washington eines Rohdiamanten angenommen. „You Make Me Feel Like (A Natural Woman)“. Ein Jahrhundert-Song aus der Feder von Carole King. Aber erst Aretha Franklin machte aus dem Stück die grandiose Hymne an die Weiblichkeit, an der sich jede Soul-Produktion messen lassen muss.

Trotz vieler Schicksalschläge lebte sie ihren Ausnahe-Status bis zuletzt

Ein Lied mit jeder Faser zu erobern, sinnlich-gedämpft in den Tiefen, ekstatisch und makellos klar in den Höhen, war Aretha Franklin von Kindesbeinen an vertraut. Sie sang in der New Bethel Baptist-Kirche ihres umtriebigen Vaters. Größen wie Ray Charles, Sam Cooke und Mahalia Jackson gingen bei den Franklins ein und aus. Eine Schule, die sie bis zum Vorbild werden ließ.

Ob Whitney Houston, Alicia Keys, Chaka Khan, Donna Summer oder Lauryn Hill - sie alle standen oder stehen in den großen Schuhen einer Frau, die ihren Ausnahme-Status trotz vieler Schicksalsschläge bis zuletzt mit einer sympathischen Beiläufigkeit lebte. Als junges Mädchen musste sie den Tod der Mutter verkraften. Mit 16 hatte sie selbst bereits zweimal entbunden. Zwei weitere Kinder, zwei Ehen, Liebschaften und der Alkohol kamen dazu. Die Kraft ihrer Kunst war stärker.

Nie klangen ihre Kopien wie Kopien. Das beste Beispiel dafür ist „I Say a Little Prayer“. Burt Bacharach komponierte die federleichte Musik, die in den vergangenen Tagen in den sozialen Netzwerken zigtausendfach gehört und gepostet wurde. Hal David schrieb den Text, dem Kirchen und Kosmetik-Industrie auf ewig dankbar sind: „The moment I wake up, before I put on my makeup, I say a little prayer for you.“ Zuerst war der Song im Repertoire von Dionne Warwick. Dann kam Aretha Franklin, zog sich das Lied an wie eine zweite Haut. Passte wie angegossen.

„Ich möchte nur wie eine Melodie in deinem Kopf sein“, heißt in es in ihrem Lied „Take me with you“.

Auf ewig geschehen, Aretha!

Das Leben von Sängerin Aretha Franklin

Die Soul-Sängerin Aretha Franklin war eine der bekanntesten Sängerinnen ihrer Generation. Sie starb am 16. August 2018 an Krebs. Wir zeigen Bilder aus ihrem Leben.
Die Soul-Sängerin Aretha Franklin war eine der bekanntesten Sängerinnen ihrer Generation. Sie starb am 16. August 2018 an Krebs. Wir zeigen Bilder aus ihrem Leben. © REUTERS | REUTERS / JOSE LUIS MAGANA
Bekannt wurde Franklin im Jahr 1967 vor allem durch ein Cover von Otis Reddings Song „Respect“. Steil ansetzende Bläser, dazu ein heiter verzerrtes Gitarrenriff und dann eine Aretha Franklin, die mit all ihrem Soul ins Mikrofon schmettert: „What you want / Baby, I got it / What you need / Do you know I got it / All I’m askin’ / Is for a little respect“. Was sollte man darauf noch antworten?
Bekannt wurde Franklin im Jahr 1967 vor allem durch ein Cover von Otis Reddings Song „Respect“. Steil ansetzende Bläser, dazu ein heiter verzerrtes Gitarrenriff und dann eine Aretha Franklin, die mit all ihrem Soul ins Mikrofon schmettert: „What you want / Baby, I got it / What you need / Do you know I got it / All I’m askin’ / Is for a little respect“. Was sollte man darauf noch antworten? © picture alliance / Everett Colle | dpa Picture-Alliance / ©Universal/Courtesy Everett Coll
Die Wucht, mit der Franklin ihren Gospel-geladenen Gesang in Studios und auf Bühnen niedergehen ließ, konnte erschüttern. Schwarze Bürgerrechtler, unterdrückte Frauen, Vietnamkriegsgegner – die sozialen Bewegungen der 1960er und 70er Jahre in den USA erkannten die Wirkung von Franklins gewaltigem Gesang und vereinnahmten ihn für sich.
Die Wucht, mit der Franklin ihren Gospel-geladenen Gesang in Studios und auf Bühnen niedergehen ließ, konnte erschüttern. Schwarze Bürgerrechtler, unterdrückte Frauen, Vietnamkriegsgegner – die sozialen Bewegungen der 1960er und 70er Jahre in den USA erkannten die Wirkung von Franklins gewaltigem Gesang und vereinnahmten ihn für sich. © dpa | Anonymous
„Lady Soul“ lieferte den Soundtrack ihrer Zeit.
„Lady Soul“ lieferte den Soundtrack ihrer Zeit. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool / Remo Bodo Tietz
Mit insgesamt 18 Grammys wurde Aretha Franklins Werk ausgezeichnet. Nach ihrem Tod würdigte die Recording Academy, die die Musikpreise verleiht, Franklin als eine „unvergleichliche Künstlerin“ mit einer der „tiefgreifendsten Stimmen“ der Musikbranche.
Mit insgesamt 18 Grammys wurde Aretha Franklins Werk ausgezeichnet. Nach ihrem Tod würdigte die Recording Academy, die die Musikpreise verleiht, Franklin als eine „unvergleichliche Künstlerin“ mit einer der „tiefgreifendsten Stimmen“ der Musikbranche. © dpa | dpa
Mit Titeln wie „Respect“, „Chain Of Fools“ und „I Say a Little Prayer“ fand Franklin (hier mit Soul-Kollege James Brown) immer größere Gefolgschaft.
Mit Titeln wie „Respect“, „Chain Of Fools“ und „I Say a Little Prayer“ fand Franklin (hier mit Soul-Kollege James Brown) immer größere Gefolgschaft. © dpa | Joe Kennedy
Diese Titel haben längst ein Eigenleben entwickelt und gehören in Playlisten bei Protestmärschen, Werbeagenturen, Karaoke-Bars und Best-of-Abenden. Dass Franklin diese Hits oft nicht selbst schrieb, sondern sie einfach unfassbar bewegend einsang, interessierte dabei die wenigsten.
Diese Titel haben längst ein Eigenleben entwickelt und gehören in Playlisten bei Protestmärschen, Werbeagenturen, Karaoke-Bars und Best-of-Abenden. Dass Franklin diese Hits oft nicht selbst schrieb, sondern sie einfach unfassbar bewegend einsang, interessierte dabei die wenigsten. © REUTERS | HANDOUT
So war es auch bei der Ballade „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“ von Songschreiberin Carole King. Franklin brachte mit dem Titel an Weihnachten 2015 im Kennedy Center sogar den damaligen US-Präsidenten Barack Obama zum Weinen.
So war es auch bei der Ballade „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“ von Songschreiberin Carole King. Franklin brachte mit dem Titel an Weihnachten 2015 im Kennedy Center sogar den damaligen US-Präsidenten Barack Obama zum Weinen. © dpa | Jeff Kowalsky
2009 hatte die „Queen of Soul“ bei der Vereidigung von Barack Obama zum 44. und ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gesungen.
2009 hatte die „Queen of Soul“ bei der Vereidigung von Barack Obama zum 44. und ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gesungen. © REUTERS | JASON REED
2011 trafen die Obamas und Franklin wieder aufeinander, als die Gedenkstätte für Bürgerrechtsaktivist Martin Luther King Jr. in der Hauptstadt Washington eingeweiht wurde. Zur Unterstützung von Kings Arbeit war Franklin schon in den 60er Jahren aufgetreten.
2011 trafen die Obamas und Franklin wieder aufeinander, als die Gedenkstätte für Bürgerrechtsaktivist Martin Luther King Jr. in der Hauptstadt Washington eingeweiht wurde. Zur Unterstützung von Kings Arbeit war Franklin schon in den 60er Jahren aufgetreten. © REUTERS | LARRY DOWNING
2005 verlieh der damalige Präsident George W. Bush Aretha Franklin die Freiheitsmedaille, die höchste Auszeichnung, die der Präsident an Zivilisten vergeben kann.
2005 verlieh der damalige Präsident George W. Bush Aretha Franklin die Freiheitsmedaille, die höchste Auszeichnung, die der Präsident an Zivilisten vergeben kann. © REUTERS | JASON REED
Franklin wurde in Memphis im Südstaat Tennessee geboren und wuchs in der Autometropole Detroit in Michigan auf. Mit ihren Schwestern Carolyn und Erma, die beide ebenfalls Musiker-Karrieren einschlugen, sang sie in den 1950er Jahren in der Kirche ihres Vaters. Aretha Franklin war zweimal verheiratet und hatte vier Kinder.
Franklin wurde in Memphis im Südstaat Tennessee geboren und wuchs in der Autometropole Detroit in Michigan auf. Mit ihren Schwestern Carolyn und Erma, die beide ebenfalls Musiker-Karrieren einschlugen, sang sie in den 1950er Jahren in der Kirche ihres Vaters. Aretha Franklin war zweimal verheiratet und hatte vier Kinder. © dpa | Andy Martin Jr.
Im Jahr 2010 wurde bei Aretha Franklin zum ersten Mal Krebs diagnostiziert. Ihren letzten großen Auftritt hatte sie im November 2017. Damals sang sie bei einem Konzert in New York.
Im Jahr 2010 wurde bei Aretha Franklin zum ersten Mal Krebs diagnostiziert. Ihren letzten großen Auftritt hatte sie im November 2017. Damals sang sie bei einem Konzert in New York. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
Die „Rock and Roll Hall of Fame“, die sie 1987 als erste Frau überhaupt aufgenommen hatte, beschrieb sie so: Franklin „nahm viele Rollen an – die fromme Gospelsängerin, die sinnliche R&B-Sirene, das Pop-Crossover-Phänomen, Lady Soul – und beherrschte sie alle.“ Der frühere US-Präsident Bill Clinton sagte: „Mehr als 50 Jahre lang hat sie unsere Seelen berührt.“
Die „Rock and Roll Hall of Fame“, die sie 1987 als erste Frau überhaupt aufgenommen hatte, beschrieb sie so: Franklin „nahm viele Rollen an – die fromme Gospelsängerin, die sinnliche R&B-Sirene, das Pop-Crossover-Phänomen, Lady Soul – und beherrschte sie alle.“ Der frühere US-Präsident Bill Clinton sagte: „Mehr als 50 Jahre lang hat sie unsere Seelen berührt.“ © REUTERS | ERIC THAYER
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