Mönchengladbach. . Britney Spears ackert vor 16 000 in Mönchengladbach hart für ihr Image auf der „Piece of Me“-Tour

Wenn die Sonne weg ist, fangen die Bauchfrei-Frauen mit den Glitzer-Tops an zu bibbern. Doch der andere zentrale Stern, der, der dazu angetan wäre, die Liga der Unverbrüchlichen, der Forever-Young und Forever-Fan-Community, zu erwärmen, ist noch längstens nicht in Sicht. Das grellgrüne Waldmeisterwässerchen, das in PVC-Probiergläschen auf runden Tabletts kredenzt wird, hilft da auch nicht weiter. Kalt, so kalt. Und außerdem sieht es irgendwie „Toxic“ aus…

Kein Grund, zu jammern. Verglichen mit Berlin, wo Britney Spears eine Woche früher in der Mercedes Benz-Arena den Welttournee-Aufguss ihrer Show „Piece of Me“ präsentierte (mit der sie in Las Vegas vier Jahre lang ein erquickliches Auskommen hatte) sind die am Montag im SparkassenPark noch glücklich dran. Zwar lässt die einstige Pop-Prinzessin des Prä- und Post-Millenniums auch hier 45 Minuten lang auf sich warten – aber das Vorprogramm hat früher begonnen.

Die „Work-Bitch“ selbst erscheint

So kann um 20.46 Uhr ein kollektiver Aufschrei des Entzückens aus gut 16 000 Kehlen übers Hockey-Geviert gellen, als die Musiker ihre Positionen beziehen. Den Rest des Abends (fast exakt 90 Minuten) versinken sie dann wieder in der Bedeutungslosigkeit. Denn hier geht es nicht um Musik. Hier geht es um Kult, um jederzeit wieder reproduzierbare Erinnerungen, ums Partymachen und – um sie. Britney Jean Spears, inzwischen 36 Jahre alt, zweifache Mutter, und in den Jahren zwischen 2005 und 2008 immer wieder für einen bösen Skandal gut.

20.50 Uhr: Einmarsch der bestrapsten Tänzerinnen und ihrer barbusigen Galane. 20.52 Uhr: die „Work-Bitch“ herself erscheint. Der Song von 2008 passt auf sie wie maßgeschneidert. Weil sie einerseits (ganz anders als die im Stück kritisierte Sorte Frau), tatsächlich hart für ihr Geld arbeitet (anstatt sich von Sugar Daddys aushalten zu lassen). Und das schon seit ihrem achten (!) Lebensjahr. Und weil sie, andererseits, alles tut, um das Bild der „Bitch“, des leichtlebigen, lockenden, lasterhaften Luders, zu kultivieren.

Popowackeln und Stangentanz

Angefangen von den schwarzen, bondage-artigen Verschnürungen, die sie an diesem Abend in mannigfachen Variationen trägt (inklusive herzigem Venushügel-Halter), und die so viel Haut zeigen, dass man sie kaum noch als Kostüm bezeichnen kann. Kombiniert mit schwarzen Overknees, String Tangas, mit Popowackeln und Stangentanz wird daraus eine poppige Peep-Show. Die Tänzer stimulieren dazu hektisch die Stangen der Balkonbalustrade, zwei Tänzerinnen dürfen – in memoriam Britney und Madonna 2003 – einen Kuss tauschen, aber der fällt eher keusch und eher kurz aus. Um nicht zu sagen: enttäuschend.

Der Höhepunkt: ein baumlanger, gut gebauter Prachtkerl aus dem Publikum, Gary oder Gerry oder so what, wird von der Domina divina Britney an die Leine genommen und darf, auf allen Vieren, mit ihr Gassi über die Bühne gehen. Artig hebt er dabei die Pfoten und scheint das zu genießen. Die Rache, auf Facebook, kommt später. Das Stück zur devoten Hundenummer heißt nicht umsonst „Freakshow“.

In-die-Haare-greifen und Herumgezuppel

All die Posen und Popo-Plattitüden täte man ihr ja durchaus abnehmen. Sie ackert hart für ihr Image. Aber durch dauerndes Sich-in-die-Haare-Greifen („Sitzt mein selbst geschnürter Pferdeschwanz auch richtig? Ist er nicht verrutscht?“) und Herumgezuppel an den knappen Verstrickungen ruiniert sie die wirklich gute Figur, die sie dabei macht. Eine echte Bitch überprüft ihre Wirkung nicht. Sie weiß darum.

Während den Bauchfrei-Frauen, vom vielen Singen und Tanzen, von all dem „Oopsen“, „Baby One More-Timen“ und sich „Crazy-Driven“-Lassen, von diesem ultimativen „Blackout-Circus-Femme Fatale“-Feeling, der Schweiß auf der Stirn steht, will das Waldmeisterwässerchen noch immer keiner. Vermutlich ist es, ob des vielen Herumtragens, jetzt nicht mehr kalt genug.