Dortmund. . Zwischen Dortmund und London: Phillip Boa and the Voodooclub bringen mit „Earthly Powers“ ihr 19. Album heraus. Ein Gespräch über Songs und Texte

Phillip Boa, Sänger, Gitarrist und Songschreiber aus Dortmund, zählt zu den wenigen deutschen Musikern, die international Anerkennung finden. Er arbeitete mit Bowie-Produzent Tony Visconti, mit Musikern von Faith No More oder Slayer. Kinks-Boss Ray Davies empfahl: „Man sollte Phil Collins oder Sting zwingen, diese Musik zu hören!“ Boas 19. Studiowerk „Earthly Powers“ ist ein Album voller rätselhafter Bilder über Freiheit. Der 55-Jährige singt gegen Oberflächlichkeit an und musiziert zwischen entfesseltem Indiepop und Avantgarde-Rock. Olaf Neumann sprach mit Boa auch darüber.

„Earthly Powers“ heißt auch ein Roman von „Clockwork Orange“-Autor Anthony Burgess, im Deutschen „Der Fürst der Phantome“. Haben Sie den gelesen?

Boa: Burgess hat eine Zeitlang auf Malta gelebt. „Earthly Powers“ ist einer der Romane, die mich seit langem beschäftigen und beeinflussen. Er verlässt die Gegenwart und ist trotzdem nicht Science-Fiction. Eine Reise ins Metaphysische, die nicht anstrengend und sehr natürlich wirkt.

Ist auch das Plattenmachen eine Reise ins Metaphysische?

(lacht) Warum nicht! Ich versuche etwas Neues zu finden in einer Welt der Musik, die in allen Genres eigentlich komplett ausgebeutet worden ist. Das ist fast unmöglich! Selbst die aktuellen Bands klingen nach den 60er- oder 90er-Jahren. Ich versuche immer die Rockklischees zu verlassen und eine Symbiose zwischen Text und Klang hinzukriegen, die in Richtung Soundtrack geht. Eine Mischung aus Essay und Kurzfilm.

Wie suchen Sie?

Ich arbeite jetzt wieder wie früher. Die ersten zehn, 15 Jahre habe ich zuerst einen Text geschrieben. Dann male ich grobe Bilder und entwickle eine Geschichte wie einen Comic. Mit dieser Vorstellung gehe ich zu jemandem, der alles spielen kann. Ich bin eher Architekt als Musiker.

Haben Sie das Album auf Malta geschrieben, Ihrer zweiten Heimat?

Ich schreibe meine Songs überall, in Marokko, in den USA, in London. Mit Malta habe ich ein bisschen gebrochen, weil es sich sehr negativ entwickelt hat. Auf Malta gibt es inzwischen Online-Kasinos an jeder Ecke, Briefkastenfirmen, Geldwäsche und EU-Pässe werden dort verkauft. Und dann ist die bekannteste Journalistin Maltas umgebracht worden. Das sind Gründe, weshalb ich mich von Malta entfremdet habe.

Empfinden Sie das heutige London als inspirierenden Ort?

Ich benutze London vorübergehend als Plattform. Dort leben der Bassist Oliver McKiernan und unsere Sängerin Vanessa, die auch Konzertpianistin ist. Mein erfolgreichstes Album „Boaphenia“ ist komplett in London entstanden. Ich habe zwar noch einen Wohnsitz in Dortmund, aber ich brauche ein Headquarter außerhalb Deutschlands, sonst fange ich noch an, deutsche Texte zu schreiben, die immer um Leben, Zeit und Welt gehen. Das möchte ich nicht.

Lieder zu schreiben und Konzerte zu geben hat ja etwas Rauschhaftes. Sind Sie süchtig danach?

Sehr süchtig. Ich unterliege diesem Rausch, er ist der Kick. Zehn Jahre lief es für mich nicht so gut, aber jetzt wird es wieder besser.

Worum geht es in dem Song „The Wrong Generation“?

Bob Dylan sagt, gute Texte soll man nicht interpretieren. Und das Ding ist gut!