Dortmund. . Er glaubt an ein Opernhaus, das durch musikalische Qualität zum Magneten wird: Dortmunds Intendant Heribert Germeshausen im Gespräch
Große Oper, kurze Hosen. Es ist einfach zu heiß für einen staatstragenden Auftritt. Heribert Germeshausen, Dortmunds neuer Opernintendant, begrüßt uns in Shorts und Espadrilles — und ordert vegetarisch. Lars von der Gönna traf den neuen Mann fürs größte Opernhaus des Reviers.
Sie gelten als großer Stimmen-Kenner und -Verehrer. Sind Sie mal einem berühmten Interpreten hinterhergelaufen?
Christa Ludwig! Sie war der erste große Star, den ich live erlebt habe, 1983 bei einem Liederabend in meiner Heimat Bad Kreuznach. Bei meiner dritten Begegnung mit ihr, einer „Winterreise“ bei den Salzburger Festspielen, bin ich nach dem Konzert einfach auf die Bühne geklettert und hinter ihr her, weil ich nicht wusste, wo die Sängergarderoben sind. Ich war gerade im Stimmbruch, hatte meine kleine Schwester im Schlepptau, die hatte noch einen Teddybär im Arm...
Schon als Kind hatte sich Heribert Germeshausen in die Welt der Oper verliebt, vor allem in Mozart
Nicht gerade typisch für einen Jungen in der Pubertät...
Bestimmt nicht. Andere Musik, wie meine Mitschüler sie hörten, die existierte für mich nicht. Klar isolierte einen das in gewisser Weise. Für die schulische Umgebung hieß das: viel Feind, viel Ehr. Ich war ein sehr guter Schüler und bei den anderen Jungs nicht besonders beliebt. Das war mir ziemlich egal, später hat es sich auch gelegt.
Ihre erste Schallplatte...
...die „Entführung aus dem Serail“.
Also gleich große Oper...
Ja, meine Eltern sahen die Fernsehübertragung von der Bayerischen Staatsoper. Ich durfte den ersten Akt sehen. Mich hat das sehr begeistert, aber ich war erst neun und musste ins Bett. Ich hab mir dann die ganze Aufnahme gewünscht, um die Oper komplett zu hören. Meine Mutter war sehr skeptisch, aber ich war völlig begeistert. Ich habe das ganz naiv aufgenommen, quasi als Fortsetzung meiner Märchenkassetten, nur mit viel mehr Gesang. Von da an, hat mich das Genre nicht mehr losgelassen. In meinem Kinderzimmer füllten sich die Regale mit Mozart, später Strauss und Wagner. Damals wollte ich Dirigent werden.
Gerard Mortier ist als Jurist und Intendant ein Vorbild für Heribert Germeshausen
...und später Regisseur, um dann aber doch Jura zu studieren.
Ja, als ich sah, wie meisterhaft ein für Kultur brennender Jurist wie Gerard Mortier die Festspiele in Salzburg leitete, sah ich darin eine Perspektive: Intendant.
Das hat geklappt. Sie waren zuletzt Direktor der Heidelberger Oper. Mit Dortmund sind Sie am größten Haus Ihrer Karriere – und den Wurzeln nach ein Quereinsteiger. Ist Ihre alles antreibende Liebe zur Musik das große Pfund?
Mir ist früh aufgefallen, dass es Theatermacher gibt, bei denen die Liebe zur menschlichen Stimme und zum Gesang fehlt. Mir hat mal ein Intendant gesagt, man sehe ja an den Kritiken, dass Menschen sich nicht mehr für Stimmen interessierten, darum müsse man die Werke durch Inszenierungen interessant machen. Das sehe ich völlig anders. Ich glaube fest daran, dass jene Opernhäuser gut laufen, die ein exzellentes Ensemble haben.
Adieu Regietheater?
Nein, nein. Aber der Ehrgeiz, ein Stück spannend neu zu lesen und Beachtung im überregionalen Feuilleton zu erreichen, darf eben nicht auf Kosten höchster musikalischer Qualität gehen. So toll es ist, wenn jemand spannende Inszenierung schafft: Vor allem sollten wir diese Stücke aufführen, weil wir an die Werke glauben.
Dortmunds neuer Opernintendant verspricht „sehr gute Sängerinnen und Sänger“
Die versprechen Sie uns hiermit für Ihre Dortmunder Intendanz...
Ich glaube, dass das Publikum hier sich auf sehr gute Sängerinnen und Sänger freuen darf.
Sie haben viele Werke als Dramaturg betreut, was ärgert Sie bei bestimmten Regie-Ansätzen?
Ich bin empfindlich, wenn Stücke unter ihrem Potenzial verhandelt werden. Eine klare Linie, Schlüssigkeit und Verständlichkeit können und dürfen wir dem Zuschauer nicht schuldig bleiben.
Vom beschaulichen Neckar in den „Pott“, ein Kulturschock?
Ach, wenn man so lange pittoresk gelebt hat, dann kann man auch mal anders wohnen.
Oper gehört in Dortmund nicht mehr selbstverständlich dazu. Es sind von Ihrem Vorgänger Besucher zurückgewonnen worden, aber immer noch gibt es leere Reihen. Wie wappnen Sie sich?
Ich glaube schon, dass ich eine große Begeisterung für die Kunstform Oper vermitteln kann. Ich will die Oper hier wieder tiefer in der Gesellschaft verankern. Die Bundeskulturstiftung unterstützt uns dabei. Es wird sogar eine Agentin für interkulturelle Öffnung geben. Wir gehen intensiv in die Kulturvermittlung, um neue Publikumsschichten zu gewinnen.
Was soll Sie als Chef dieses Riesenapparates Oper denn innerhalb des Hauses auszeichnen?
Ich möchte jemand sein, dessen Tür immer offen steht – für Techniker wie für Künstler. Klar entscheide ich die großen Linien – Repertoire, Regisseure etc. – am Ende allein, aber ich strebe einen sehr kollegialen Stil an. Hierarchien dürfen nicht als Totschlag-Argumente benutzt werden.
Sie dirigieren nicht, Sie inszenieren nicht. Wie werden Sie dann für das Publikum zum Gesicht des Opernhauses?
Ich werde sehr präsent sein, das kann ich Ihnen versprechen. Zu zeigen, dass ich der Intendant bin, ist mir schon wichtig. Ich werde auch selbst abendliche Einführungen machen. Und die Menschen sollen auch wissen, dass ich es bin, bei dem sie sich beschweren können, wenn sie nicht zufrieden sind.
Ihr Vorgänger hat den Spielplan in der Dortmunder Arena vorgestellt. Ist das was für Sie?
Nein, man sollte die Sachen machen, die man kann. So ein Anbiedern, das merken die Leute. Aber ich weiß mittlerweile, wie der BVB gespielt hat. Das ist Pflicht.
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Mit gleich zwei großen Opernklassikern eröffnet die Intendanz Germeshausen. Verdis „Aida“ hat am 5. Oktober Premiere, Rossinis „Barbier von Sevilla“ am 7. Oktober.
Weitere Premieren der Spielzeit 18/19 sind u.a. „West Side Story“ und „Turandot“