Salzburg. . Körperlich zwischen Kamp und Tanz, dazu auf zwei Schauspieler reduziert: Johan Simons’ Salzburger „Penthesilea“ ist ein intensives Erlebnis.

Auch beim Schauspiel setzen die Festspiele in diesem Sommer auf starke Frauen. Zunächst spielt Sandra Hüller eine jugendlich fahrige Penthesilea. Danach treffen zwei Großkaliber des Schrillen in Knut Hamsuns „Hunger“ aufeinander: Sophie Rois und Kathrin Angerer. Hier geht’s um einen hungernden Künstler, dort um antike Helden, die für ihre Liebe kämpfen.

Nach Johan Simons’ intensiver Kammerspiel-Inszenierung von Kleists „Penthesilea“ im Landestheater folgte die Bühnenfassung des Knut-Hamsun-Romans auf der Perner Insel. Inszeniert vom Langstreckenläufer und Theater-Berserker Frank Castorf, der auch hier mal wieder fast sechs Stunden spielen lässt. Größer kann der Unterschied kaum sein.

Kleists „Penthesilea“, als Koproduktion ab November auch an Bochums Schauspielhaus zu sehen, reduziert Bochums künftiger Intendant Simons auf die Titelfigur und Achill. Beide in asiatischem Kampfsportdress mit langem schwarzen Rock. Schwarz auch die minimalistische Bühne mit einem Neonlicht-Streifen (Johannes Schütz).

Auf ihr trippeln Sandra Hüller und Jens Harzer wie in einem Boxring um-, mit- und gegeneinander, tänzeln, schlagen. Dann umarmen sie sich heftig, klopfen auf die Schulter, klatschen sich ab. Oder der antike Supermann Achill hebt die Amazonenkönigin in seine schützenden Oberarme. Der Liebe wegen sei er ihr unterlegen, aber in den Waffen dem Amazonenheer der Penthesilea überlegen. In einer Mischung aus Kampfsport und Pas de deux erzählen die intensiv und gegenwärtig agierenden Darsteller die große Liebestragödie, die für beide ein grausiges Ende nimmt.

Johan Simons’ „Penthesilea“ begeistert, Frank Castorfs „Hunger“ erntet auch Buh-Rufe

In pausenlosen zwei Stunden beweisen sie Kondition, machen nicht Schlapp. Mühsam wirken nur der erzählerische Tonfall und die indirekte Rede, in der die Figuren über sich, ihren Partner und Schlachten berichten.

Dagegen zählen Reduktion und würzende Kürze nicht zu Frank Castorfs Stärken. Ausufernd sind die Textbrocken, die Castorf aus Hamsuns Debütroman „Hunger“ (1890) und seinen „Mysterien“ (1892) zusammenbaut. Wie üblich, streut der Ex-Volksbühnen-Chef Passagen aus anderen Epochen ein. Hier sind es Filmausschnitte und Reden des Nobelpreisträgers Hamsun (1859-1952), der sich in den 30er-Jahren als glühender Verfechter der NS-Diktatur gerierte, 1943 gar von Hitler auf dem Obersalzberg empfangen wurde.

In der alten Salinenhalle von Hallein dreht sich Norwegens alte Hauptstadt Kristiania in Form einer Gralsburg aus Brettern und mit überwucherndem Moos (Bühne Aleksandar Denic). In „Hunger“ beschreibt der Erzähler (Marc Hosemann) seine geistige Verfassung detailliert, heftig, herb und manchmal derb. In dauererregtem Zustand – wie die meisten Castorf-Mimen. Zitternd und verzweifelt erscheint Hosemann als ausgelaugter Hungerkünstler, der sich in einen Finger beißt, um sich am eigenen Blut zu laben. Er schwankt zwischen Wahnsinn, Hoffnung und Scham.

In „Mysterien“ wird in einer perfekt nachgebauten McDonald’s-Küche der Kapitalismus verhandelt:, Ein „Würstchen“ und eine „Pommes“ sinnieren über den Genie-Begriff. Die Szenen aus „Hunger“ wirken stark, aus „Mysterien“ aber sind verworren, ohne Bezüge, vielfach rätselhaft und – viel zu lang. So mischten sich Buhrufe für Castorf unter den Jubel jener Zuschauer, die nicht schon in der Pause Reißaus genommen hatten.