Essen. . Außenseiter, Suchende: Dies sind die Romanhelden der 1971 in Ungarn geborenen Autorin Terézia Mora, die den Büchner-Preis 2018 erhält.

Ihren inneren Monolog führt Terézia Mora in einem steten Fluss des Perspektivwechsels, verriet sie einmal im Interview mit dieser Zeitung: vom „ich“ zum „du“ zum „sie“. Und auch ihre Romanhelden sprechen auf diese Weise mit sich selbst (und uns); der allwissende Erzähler ist Moras Sache nicht. Ihre Figuren sind taumelnde Außenseiter, heimatlos Suchende, die immer nur ihren eigenen, kleinen Ausschnitt der Welt vor Augen haben. Figuren, in denen sie „schmerzlich den Nerv unserer Zeit“ treffe, urteilt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Sie verleiht Mora für „eminente Gegenwärtigkeit und lebendige Sprachkunst“ den mit 50 000 Euro dotierten Büchner-Preis.

„Seltsame Materie“ und „Alle Tage“

Der Preis ehrt verdientermaßen eine Autorin, die in ihrem Werk erlebte und gefühlte Fremdheit auslotet, und dies in einer Sprache, die mühelos alle Register zieht, die das Feine preist und das Rau-Ironische zu nutzen weiß. 1971 im ungarischen Sopron geboren, wuchs Terézia Mora zweisprachig auf und lebt seit 1990 in Berlin. Für eine Erzählung aus ihrem Band „Seltsame Materie“, der die Tristesse des Heimatdorfes trotzig strahlen ließ, erhielt sie 1999 den Bachmann-Preis. Fortan ist dieser Ort Bezugspunkt ihrer Romane: Abel Nema, der zehn Sprachen sprechende Held ihres Romans „Alle Tage“, reist von hier nach Berlin. IT-Spezialist Darius Kopp, zunächst „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ und trotzdem fröhlich, begibt sich in Band zwei der noch zu vollendenden Kopp-Trilogie mit der Asche seiner von eigener Hand gestorbener Ehefrau Flora in deren ungarische Heimat.

„Das Ungeheuer“ als zweigeteilter Roman

„Das Ungeheuer“ ist ein im wahrsten Sinn zweigeteilter Roman (mit einem Strich in der Mitte der Seiten), der von Darius’ Irrfahrt in den Osten Europas erzählt und zugleich in Floras Notizen die Geschichte einer grassierenden Sprachlosigkeit, die in Depression und Tod endet. Moras bisher waghalsigstes Literatur-Experiment, das 2013 mit dem Deutschen Buchpreis geehrt wurde, ist immer noch ein Buch der Stunde: die Grenze, die es zu überwinden gälte, trägt es überdeutlich im eigenen Innern. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein. Und was kommt eigentlich nach dem Büchner-Preis?