. . Warum wir sprechen, wie wir sprechen: Peter Honnen führt die Wörter an Rhein und Ruhr zu ihren Ursprüngen zurück.

„Futtsack“ ist so ein Wort, das jenseits von Rhein und Ruhr gerne mal nicht verstanden wird. Hierzulande wissen (fast noch) alle, dass damit ein Schaden, Ärger oder Probleme gemeint sind. Bisher haben Wörterbücher das Wort und auch seine Verbreitung im Revier damit erklärt, dass es vom Futtersack der einstigen Grubenpferde abgeleitet sei. Dabei scheint das Gegenteil richtig zu sein: Die Grubenponys hatten ja auch hinten einen Sack, der die Pferdeäpfel auffing (zwecks Verwendung als Dünger im Koloniegarten). Dies ist jedenfalls die Erklärung von Peter Honnen in seinem neuen „Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr“.

Honnen ist Sprachforscher beim Landschaftsverband Rheinland, der in Bonn ein Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte unterhält. Aus dessen Arbeit ist das Buch entstanden, und die häufigsten Frage, die man den Linguisten dort stellt, hat sich Honnen als den Titel für sein neues Etymologie-Wörterbuch ausgeliehen. Er bezeichnet die Umgangssprache als eine Art verbalen Jogging-Anzug, die gesprochene sei „der geschriebenen Sprache immer schon voraus“ und ein „Experimentierfeld“, auf dem ausgelotet werde, wie konsensfähig sprachliche Regelverstöße sind: „Ein Meiler, der ununterbrochen die Hochsprache befeuert und für deren Anpassung an die Sprachwirklichkeit sorgt.“ Es geht Honnen auch um eine „Rehabilitation des alltagssprachlichen Wortschatzes und seiner Sprecherinnen und Sprecher“.

Die ruhrgebietliche Ratenzahlung „auf Kucki kaufen“ leitet er von der Kuxe oder Kux her, einem Bergbau-Begriff für Zechen-Anteile. Das „Kroppzeug“ scheint dagegen mit dem Taubenvatter zu tun zu haben, bei der das Gute im Topf und das Schlechte im Kropf landet. Über 1000 Stichwörter kann Honnen gut auseinanderklamüsern – was sich wiederum aus der Studentensprache des 16. Jahrhunderts herleitet, in der „Kalmäuser“ oder „Kalmüser“ die Bezeichnung für weltfremde Bücherwürmer war.

Hinzu kommen, zwischen den lexikalischen Worterklärungen, kleine Exkurse, etwa zum Einfluss des Lateinischen, des Französischen und des Jiddischen auf die Umgangssprache an Rhein und Ruhr. Weshalb sich nach der Erklärung für „Pott“ ein paar launige Absätze „Zum Wortschatz im Pott“ finden. Etwa mit der leicht überprüfbaren Feststellung, dass „niemand reines Ruhrdeutsch“ spricht. Weil es das nicht gibt, „da man in Duisburg anders spricht als in Dortmund, Jüngere anders sprechen als Ältere“. Einzigartig sei allerdings die Konsequenz, mit der sich die Ruhris vor der Aussprache des Buchstabens „R“ drückten, etwa in „Kiache“, „Biane“, „Keaze“ oder „Duast“.

Honnen räumt mit dem Mythos auf, dass das Polnische großen Einfluss auf die Sprache im Pott gehabt hätte, überlebt hätten nur die Wörter „Mattka“, „Mottek“ und „Pinunsen“, zumal die polnischen Familien ihre Kinder schnell auf Deutsch erzogen. Andersherum vermieden die Einheimischen zur Verständigung mit den Zugewanderten oft ihren Dialekt und strebten Hochdeutsch an, in umgangssprachlicher Form eben.

So kommt „blechen“ für „viel zahlen“ aus dem Althochdeutschen, als man Goldmünzen noch aus Blech stanzte, weshalb sich der Begriff über die Gaunersprache ins Ruhrdeutsch geschlichen hat. „Abkratzen“ führt Honnen auf die „Kratzfuß“-Verbeugung zurück, mit der sich Höflinge im Adel verabschiedeten. „Acheln“ oder „achilen“ für „tüchtig essen“ stammt dagegen aus dem Jiddischen.

Und wer sich schon immer heimlich gefragt hat, wo denn „stickum“ herkommt (das der Duden ja unter „stiekum“ verzeichnet), wird hier auf die alte Gaunersprache Rotwelsch verwiesen, in der „Schtike“ das Stillschweigen bedeutet. Nicht herausbekommen hat Peter Honnen allerdings, warum der „Oschi“ so heißt, wie er heißt.