Duisburg. . Es sollte nur ihm die Werkschau gelten. Doch Jannis Kounellis Tod ließ in Duisburgs Küppersmühle etwas Neues entstehen.
Jannis Kounellis war mindestens so sehr Italiener wie Grieche, seit er 1956 aus Athen an die Kunsthochschule von Rom wechselte. Als Galionsfigur der Arte Povera, der „armen Kunst“, die Alltags- und Fundmaterialien in Kunst, Bedeutung und Werte verwandelte, erlebte er aber auch deren scheinbare Veredelung von einer schieren Provokation in eine Kunst mit rauem, widerständigem, aber zunehmend doch auratischem Material.
Anselm Kiefer gesellt sich mit „Klingsors Garten“ zur kohlegesättigten Werkschau um Janis Kounellis
Kohle, Sackleinen, rohes Eisen, die Mitte der 60er-Jahre noch echte Fremdkörper in Galerien und Museen waren, wurden durch ihn zu Stammgästen, bis hin zu jenem anthrazitfarbenem „Kohlehimmel“ aus über 100 Brocken, den Kounellis 1993 in der Kunsthalle Recklinghausen installierte – jenem Jahr, in dem er auch Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf wurde.
Für die große „Kunst & Kohle“-Ausstellungsreihe der Ruhrkunstmuseen war Jannis Kounellis also ein „geborener“ Gast, und eigentlich sollte er seine Arbeiten in der Duisburger Küppersmühle einrichten, weil „sie ja immer erst in seinen Ausstellungen zu Werken wurden“, wie Ferdinand Ullrich, ehemaliger Chef der Kunsthalle Recklinghausen sagt. Doch Kounellis’ Tod Anfang 2017 machte die Pläne zunichte, so dass Ullrich nun gemeinsam mit dem Küppersmühlen-Direktor Walter Smerling eine Mischung aus Kounellis-Werkschau und Hommage von befreundeten, wesensverwandten Künstlern an ihn eingerichtet haben. Einen Anselm Kiefer, der mitunter nächtelang mit Kounellis und anderen Kollegen diskutierte, regte die Ausstellung zu einer seiner poetischsten, sprechendsten Arbeiten an: „Klingsors Garten“. Sprungturmhohe Sonnenblumen aus Metall im Spätstadium ihrer Vergänglichkeit scheinen aus Kohlebrocken herauszusprießen, dazwischen die Ruine einer Haushütte – der Zauberer scheint fort, aber die Energie ist da, gespeichert in Pflanzen, Karbon und Mythen.
Heizstrahler, Stahl-Riesen,Briketts und Kohlekrümel: Kunst-Zitate aus dem Reich der Schwerindustrie
Auch Ayse Erkmen lässt in der Rauminstallation „Prometheus“ die Energie arbeiten, aus sechs Heizstrahlern und acht Leuchtstoffröhren, die freilich den Blick in die Zukunft verstellen. Der kluge Michael Sailstorfer hat ein Gerät eingerichtet, in dem Kohlenkrümel zu tränenförmigen Briketts gepresst werden, der Spätest-Dadaist Timm Ulrichs wiederum hat über 200 Briketts zu zwei „Kohle-Öfen, brennbar“ aufgeschichtet, die am letzten Tag der Ausstellung verbrannt werden sollen; an der Wand eine „Kohlezeichnung“, wie Ulrichs sie schon in den 70er-Jahren mit einem Kohlensack erzeugte, den er an der Wand entlangschabte.
Der Kern dieser Ausstellung sind aber doch Werke von Kounellis, jene Stahlstangen, die wie ein gerupfter Blumenstrauß in den Raum ragen, ein Rudel Kohlesäcke, die verhindern, dass die blanke Kohle in ihrer Mitte wegbröselt, während eine riesige Stahlnadel in der Mitte so tut, als wäre sie ein Kompass; Kohlensäcke, die durch Stacheldraht zwischen Baumstümpfen miteinander verbunden scheinen; und ein großes Lazarett, in dem elf Stahl-Riesen auf Feldbetten ihre Kriegswunden auszukurieren scheinen — Jannis Kounellis hat die Gewalt und die Unterdrückung, die in der Natur der Montanindustrie zu liegen scheint, klar ausgedrückt. Aber eben auch ihr Potenzial an Reichtum und Kultur: Genau das bedeuten diese „armen“ Materialien im Museum.