Gelsenkirchen. Der „Kulturpott Ruhr“ öffnet Menschen Türen. Bis heute 100 000 Mal half er Menschen, die viel für Kultur übrig haben – nur kein Geld.

Was Rot-Weiss Essen, Rapunzel und Rachmaninow verbindet? Der Ehren-Platz auf einer riesigen Collage. Sie besteht aus lauter Eintrittskarten, nur oben drüber hat jemand in dicker Schrift den eigentlichen Kitt für Fußball, Märchen und Klassik geschrieben: „Kultur Pott Ruhr DANKE“.

Dieser Pott ist eine Art Tafel für jeden, der weiß, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt. Er speist Menschen mit Kulturhunger, aber er speist sie nicht ab. Eine magere Barschaft ist nicht Hindernis sondern Voraussetzung für das, was der Kulturpott Menschen seit 2010 serviert. Vorspeise Kindertheater, Hauptgang großes Konzert und eine saftige Revierkomödie als Sahnehäubchen. Inzwischen stehen in fast allen Städten der Region 120 Ehrenamtler am „Kulturpott“. Eben haben sie eine ganz besondere Eintrittskarte vergeben: Es war die Nummer 100 000.

Es reicht eben nur für das Nötigste

100 000 Mal sind Menschen in Witten und Duisburg, Reckling- und Oberhausen, Bochum und Dortmund ins Theater, Kino, Konzert gegangen, haben im Varieté einen Abend lang den Alltag vergessen oder im Stadion aus vollem Hals für den BVB gejubelt.

100 000! Ein bisschen stolz ist Brigitta Blömeke, Kulturpott-Vorsitzende seit 2011, auf die Zahl. Aber zum Ausruhen tauge die sechsstellige Marke nicht, leider. „Um die Idee zu sichern, ist man ständig auf der Suche nach Geldgebern. Wir haben keine verlässliche Finanzierung. Wir sind auf Spenden angewiesen“, sagt die pensionierte Schulleiterin. Zwar stellen die Kulturpartner („Wir sind gut bestückt, was die Breite des Kulturbegriffs anbetrifft, von der Deutschen Oper am Rhein bis zu Schalke 04“) die Gratis-Karten für Bedürftige, zwar arbeiten die Ehrenamtler ohne Lohn, aber drei bezahlte Mitarbeiterinnen braucht der aufwändige Apparat nun mal.

„Viele Dankschreiben, sehr bewegende“

Unterm Strich freilich steht das große Glück einer guten Sache. „Viele Dankschreiben, sehr bewegende“, hat die Gelsenkirchener Zentrale im Archiv. Brigitta Blömeke zitiert sie als Glück von Menschen, „aus ihrem Trott herauszukommen.“ Der Pott ist ihnen kultureller Türöffner. Manche traf die Altersarmut, bei anderen reichte eine plötzliche Erkrankung, um erfolgreiche Selbstständigkeit in Hartz IV zu verwandeln. Andere haben schlicht wenig zum Leben.

Sandra Seraphin zum Beispiel, alleinerziehend, arbeitet halbtags. „Das Geld brauchen wir für das Nötigste“, sagt sie, aber für einen Theaterausflug, nein, da lasse ihr Budget einfach keinen Platz. Der Pott lädt sie ein und Tochter Pia (10) kommt richtig gern mit: Nach Bottrop sind sie zu einem Kinderstück gefahren und zwei Mal schon (da, „wo die Sterne so schön funkeln“) waren sie in Bochums Planetarium.

„Ich finde da nichts Peinliches dran“

Was ihr das eigentlich bedeutet? „Ich tauche in eine andere Welt ab, man kommt raus, aber es ist eben auch ein Grund, sich mal anders zu kleiden – etwas Besonderes!“ Im Mondpalast von Wanne-Eickel war Sandra Seraphin auch schon, „ich hab’ so viel gelacht, es war einfach super!“

Anderen, denen es ähnlich geht, macht Sandra Seraphin Mut. Einen Grund, sich zu genieren, den sieht sie nicht. „Ich finde da nichts Peinliches dran. Und es lohnt sich echt!“ Tatsächlich gehören Diskretion und ein wertschätzender Umgang mit den Gästen zu den festen Pott-Prinzipien: An der Abendkasse muss niemand einen Berechtigungsausweis zeigen – wie bei Vollzahlern genügt der Name. Denn diese Menschen haben richtig viel für Kultur übrig, bloß Geld nicht.

Weitere Informationen

„Augenhöhe ist der Schlüssel“, sagt der Kulturpott über das Verhältnis zu seinen Gästen. Wer die Kriterien erfüllt, also „bedürftig“ ist, kann per Telefon oder PC kulturelle Favoriten angeben. Die Interessenten werden dann über Angebote informiert. Infos unter www.kulturpott.ruhr

Ursprünglich hatte die Einrichtung als „Kulturloge“ begonnen. Nach einem Namensstreit heißt sie seit 2015 „Kulturpott Ruhr“.