Las Angeles. . Projekt Brückenschlag: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier weiht im Nobel-Vorort das Thomas-Mann-Haus der Bundesrepublik ein

Frido Mann steht in lauer kalifornischer Abendluft ziemlich genau da, wo er als vierjähriger Knirps im weitläufigen Garten seines Großvaters zwischen Eukalyptusbäumen und Palmen gespielt hat. Dann erinnert sich der 77-Jährige an den 20. Juli 1944. An den Moment, als am idyllischen San Remo Drive, Hausnummer 1550, in Pacific Palisades bei Los Angeles, die Nachricht vom fehlgeschlagenen Attentat auf Adolf Hitler eintraf. „Die Erwachsenen liefen plötzlich aufgeregt durcheinander“, erzählt er, „es wurde laut geredet und telefoniert. Kopfschütteln und Enttäuschung waren sofort zu spüren. Aber auch Entschlossenheit und Hoffnung.“

Solche Momente seltener Zeitzeugenschaft gab es einige, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montagabend an Amerikas Westküste feierlich das „andere Weiße Haus“ eröffnete. Einen Ort, der unter deutscher Federführung als intellektuelle Außenstelle wirken soll, um in den seit Amtsantritt Donald Trumps „stürmisch“ geworden Zeiten den transatlantischen Dialog neu zu beleben.

Hier fand Fridos Großvater Thomas Mann mit Gattin Katia und sechs Kindern zwischen 1942 und 1952 Zuflucht vor dem Nazi-Regime. Hier schuf der Schriftsteller Meisterwerke wie „Doktor Faustus“, komponierte wirkungsmächtige Reden, die von der englischen BBC bis nach Hitler-Deutschland ausstrahlten und lud mit Albert Einstein, Otto Klemperer, Max Horkheimer, Arnold Schönberg und Theodor W. Adorno, um nur einige zu nennen, regelmäßig andere prominente Exilanten auf seinen persönlichen Zauberberg ein. „Thomas Manns Arbeitszimmer“, sagte Steinmeier, „war gewissermaßen das Oval Office der Exil-Opposition gegen Hitlers Terrorherrschaft.“

Einen solchen Erinnerungsort von Termiten zerfressen oder von Spekulanten verhökern zu lassen, erschien dem SPD-Politiker schon 2016 in seiner Zeit als Außenminister als Frevel. Also wurde die von Julius Ralph Davidson im Bauhaus-Stil geschaffene Immobilie in 1a-Lage nach demokratischen Abstimmungsprozessen für vergleichsweise günstige 13 Millionen Dollar von der Bundesrepublik Deutschland gekauft und für weitere fünf Millionen Dollar komplett und in vielen Details bis in die dunklen Bücherei-Regalwände und die Kacheln in Küche und Badezimmer originalgetreu saniert.

Die geistige Hausordnung ähnelt in vielem der zu Mann’schen Zeiten. Was im Jahr 2018 fast zwangsläufig wie ein Anti-Trump-Manifest anmutet: Freies, kritisches Denken. Austausch kontroverser Ideen. Die Werte der Aufklärung. Alleinige Richtschnur: Unbeirrtes Eintreten für die Demokratie.

Ankurbeln sollen dies wechselnde Stipendiaten, Burghard Klaußner ist einer der ersten Ausgesuchten. Der 68-Jährige, der zur Feier des Tages und Freude von Gästen wie der Schauspielerin Maria Schrader und der 68er-Groupie-Ikone Uschi Obermaier, das September-Lied von Kurt Weill anstimmte, sagt: „Das Problem heute ist nicht Donald Trump. Es sind die Menschen, die ihn wählen.“

Bundespräsident Steinmeier betonte: „Die Zukunft der Demokratie beginnt nicht damit, sie anderen zu erklären, sondern sie bei uns selbst zu erneuern.“ Das Thomas Mann-Haus könne hier als Inkubator wertvolle Schrittmacherdienste leisten und eine angegriffene Partnerschaft konsolidieren. Vorausgesetzt, Trumps Amerika höre auf, den Westen nur noch als eine „Himmelsrichtung“ zu sehen. Und die Welt als einen „Boxring“, in der jeder gegen jeden kämpft.