. . „Ein Mann, der die Macht braucht, nur weil er sie hat, gegen Recht und Verstand, der ist zum Lachen.“ Und wohl auch zum Fürchten. Sage einer, Thomas Manns Opus magnum, der vierbändige Bibel-Roman „Joseph und seine Brüder“, dieses jüdisch-griechisch-ägyptische Familienepos, sei nicht aktuell. Dieser „humanistische Erziehungsroman“ der Menschheit, wie ihn manche nannten und ihn gleichrangig neben Cervantes „Don Quijote“ und Shakespeares „Hamlet“ stellen, ist jetzt in der Thomas-Mann-Werkausgabe des S. Fischer Verlages zum ersten Mal umfassend textkritisch ediert worden.

„Ein Mann, der die Macht braucht, nur weil er sie hat, gegen Recht und Verstand, der ist zum Lachen.“ Und wohl auch zum Fürchten. Sage einer, Thomas Manns Opus magnum, der vierbändige Bibel-Roman „Joseph und seine Brüder“, dieses jüdisch-griechisch-ägyptische Familienepos, sei nicht aktuell. Dieser „humanistische Erziehungsroman“ der Menschheit, wie ihn manche nannten und ihn gleichrangig neben Cervantes „Don Quijote“ und Shakespeares „Hamlet“ stellen, ist jetzt in der Thomas-Mann-Werkausgabe des S. Fischer Verlages zum ersten Mal umfassend textkritisch ediert worden.

Der detaillierte Kommentar dokumentiert das umfangreich überlieferte Archivmaterial wie Manuskripte, Notizen und andere Dokumente und erschließt laut Verlag auch kulturgeschichtliche Quellen, die dem Autor als Grundlage und Anregung dienten. Allein die ausführlich dokumentierte Rezeptionsgeschichte vor und nach dem Krieg des mehrbändigen und zwischen 1933 und 1943 erschienenen Romans (mit den schon 1926 begonnenen Vorarbeiten) ist im Grunde genommen ein eigenes neues Buch, das dank der jahrelangen Recherchearbeit der Autoren Jan Assmann, Dieter Borchmeyer und Stephan Stachorski (unter Mitwirkung von Peter Huber) für jeden Literaturliebhaber eine aufregende Lektüre ist.

Dabei gehen sie nicht nur detailliert auf die unterschiedlichen Reaktionen auf die einzelnen Bände im Laufe der Jahre ihres Erscheinens ein, zunächst noch in Hitlerdeutschland und später im Ausland bis nach Amerika, sondern sie entfalten „ganz nebenbei“ auch ein Panorama der Kultur-, Politik- und Gesellschaftsgeschichte der damaligen Zeit einschließlich des Exils und des Zweiten Weltkriegs.

Dabei wird die Obsession des Nobelpreisträgers deutlich, sein Opus magnum den wechselhaft-stürmischen Zeitumständen abzutrotzen; er will nach eigenen Worten „nichts als Vollenden – wie’s mit dem Krieg auch gehen möge“, wie er 1942 notiert. Manche Kritiker sahen im „Joseph“-Roman „eine der kühnsten literarischen Unternehmungen, die je unternommen wurden“ oder gar „eine abgekürzte Geschichte der Menschheit“ und darin Goethes „Faust“ und Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ verbunden.

Der erste „Joseph“-Band war 1933 noch in Deutschland erschienen, als Thomas Mann von einem Auslandsaufenthalt nicht mehr nach Hause zurückkehrte. Danach verwandelte sich das „Joseph“-Projekt in einen Exilroman. Die Wahl des biblischen Stoffes sieht der jetzige Kommentar als „eine deutliche Sympathieerklärung für das Judentum vor dem Hintergrund des eskalierenden Antisemitismus“. In einem Brief an Arnold Zweig bezeichnete Mann das Judentum neben der griechischen Antike als einen Grundpfeiler der abendländischen Gesittung.

Bemerkenswert ist die Nachkriegsrezeption im geteilten Deutschland, wo die „Joseph“-Romane bis dahin nicht komplett erschienen waren. Ausgerechnet das noch mehrheitlich christlich orientierte Westdeutschland reagierte reserviert, während das kommunistische Ostdeutschland von einem Gipfelwerk spricht, wie die Autoren des Kommentars betonen, die einen Grund für die westliche Reserviertheit auch in Manns abwartender Haltung zum Nachkriegsdeutschland sehen. Manns Reise im Goethe-Jahr 1949 außer nach Frankfurt am Main auch nach Weimar, damals in der sowjetischen Besatzungszone gelegen, habe zu den Irritationen beigetragen. „Ich kenne keine Zonen“, hatte Mann damals betont.

Unangenehm fällt auf, dass in einem ansonsten äußerst sorgfältig erarbeiteten und fundierten Kommentar polemische Seitenhiebe enthalten sind, die dort eigentlich in dieser Form nichts zu suchen haben. So ist mal von einem „chauvinistisch angehauchten Rezensenten“, einer „blasierten Nichtigkeit von Besprechungen“ oder einer „dümmlichen Überheblichkeit“ die Rede. Davon aber abgesehen ist mit dieser neu kommentierten Ausgabe der „Joseph“-Romane die Frankfurter Thomas-Mann-Werkausgabe mit einem wahren Glanzstück bereichert worden, das auf lange Zeit wohl als Standardwerk für die „Joseph“-Romane gelten wird.