Düsseldorf. . Die Düsseldorfer Kunstsammlung NRW würdigt die Textilkünstlerin Anni Albers als eine Vorläuferin der Konzeptkunst.
Als das Bauhaus in Berlin 1933 allmählich von den Nazis geschlossen wurde, saßen Anni und Josef Albers auf der Bettkante und ließen sich ein Angebot aus den USA durch den Kopf gehen. Es gab da eine neue Hochschule in North Carolina, das Black Mountain College, wo man versuchte, in der Lehre Kunst, Sprache, Mathematik und Philosophie miteinander zu verzahnen. Als die beiden Bauhäusler lasen, dass es dort „experimentell“ zugehen sollte, stand ihr Entschluss im nächsten Augenblick fest.
Schmuck aus Spülsieb und Korken
Der in Bottrop geborene Anstreichersohn hatte seine Anneliese 1925 vom Fleck weg geheiratet, als sie sich in Albers’ Bauhaus-Klasse begegnet waren. Anni Fleischmann aus der Berliner Ullstein-Dynastie hatte sich mit Mühe in akademische Kunstausbildungen gekämpft, damals immer noch Männersache. Und selbst am Bauhaus ließ man sie nicht in die gewünschte Glaswerkstatt und wies ihr die „Frauenklasse“ der Weberei zu. Und so wurde sie die bedeutendste deutsche Textilkünstlerin des 20. Jahrhunderts.
Und die würdigt die neue Ausstellung in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW, deren Chefin Susanne Gaensheimer in Anni Albers gar eine Vorläuferin der Konzeptkunst sieht. Konsequent wie nur wenige habe sie die Bauhaus-Idee der Vereinigung von Kunst und Leben mit dem Handwerk verfolgt, in selbstständigen Werken wie in Vorlagen für die industrielle Produktion. Anni Albers’ Diplomarbeit bestand nach 16 Semestern, wie das Zeugnis ausweist, aus der Wandbespannung für eine Aula des Gewerkschaftsbundes – sie webte Zellophan in die Fäden, so dass das Gewebe nicht nur den Schall dämpfte, sondern auch das Kunstlicht des fensterlosen Saals reflektierte.
Der Weg der Künstlerin lässt sich in Düsseldorf von einem ihrer ersten Entwürfe 1925 (in denen sie sich deutlich an den Bauhaus-Lehrern Klee und Kandinsky orientierte) bis zu ihren großartigen Prägedruck-Serien der späten 70er-Jahre verfolgen, neun Kapitel blättern in chronologischer Folge auf, wie rastlos sie auf der Suche nach dem Anderen, dem Neuen war. Wie entflammt vom Können der peruanischen Ureinwohner, deren Einfluss sie schon Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre zu psychedelischen Mustern kommen ließ, Vorboten der „Love & Peace“-Ära.
Oft wachsen sich die Aquarelle und Gouachen ihrer Entwürfe zu eigenständigen, hinreißenden Werken aus. Und erst ihre Web-Arbeiten! Reliefs aus Stoff, selbst in der Dreidimensionalität entwickeln sie die Qualität von abstrakten Bildern („Development in Rose“ etwa oder, sehr raffiniert, „Open Letter“).
Grandios: Anni Albers’ Schmuck-Entwürfe, elegante, filigrane Ketten aus kleinen Korken, aus Haarklammern, aus einem Spülsieb und Büroklammern, aus Ösenhaken und Glasperlen. In der Ausstellung kann man Anni Albers’ Standardwerk „On Weaving“ lesen und staunen, das es neben technischen Kapiteln auch etliche zur umfassenden Geschichte der Weberei enthält. Und das schändlicherweise immer noch nicht ins Deutsch übersetzt ist. Es wäre, nach der Düsseldorfer Ausstellung, die nächste fällige Würdigung.