Marl. . 17 Ausstellungen zum Thema Kunst und Kohle zeigt die Region. In Marls Skulpturenmuseum ist eine besonders spannende zu sehen.
Eine der besten unter den 17 „Kunst & Kohle“-Ausstellungen im Revier findet unter Tage statt, im Souterrain des Marler Skulpturenmuseums Glaskasten. Hier geht es darum, dass nicht nur Kohlelagerstätten ausgebeutet werden, hier wird eine Schlacht um die Kohle geschlagen, wie es der Film von Jeremy Deller verheißt: „The Battle of Orgreave“ dokumentiert den Versuch, die Massenschlägerei von 6000 streikenden Bergarbeitern mit 5000 Soldaten und Polizisten beim Zechen-Streik von 1984 in South Yorkshire 17 Jahre später nachzustellen. Es ging darum, etwas lang Verdrängtes noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen: „Ich dachte damals, in unserem Land war etwas faul, wenn Menschen so behandelt werden,“ sagt Deller in dem etwa einstündigen Doku-Film. Der zeigt auch, dass es in Yorkshire keinen Strukturwandel gab, sondern Bruch um Bruch.
Ob es die Bergleute selbst gewesen sein könnten, die das Ende des Kohleabbaus gefördert haben, dieser Frage geht das andere hochpolitische Werk der Ausstellung nach: Andreas Siekmanns „Woher die Kohle kommt & wer die Zeche zahlt“ argwöhnt, dass es die mühevoll erkämpften, teuren Lohn- und Sicherheitsstandards waren, die zum Aus der Kohle in den Revieren Westeuropas geführt haben. Schließlich wird aktuell mehr Kohle gefördert als je zuvor; die Kohle für Deutschland wird jetzt in Russland, Polen, USA und Kolumbien gewonnen. Siekmann deutet in seiner beziehungsreichen Wand aus Piktogrammen Zusammenhänge zwischen „Rohstoff-Diplomatie“, Gewinnmaximierung und Vertreibung von Einwohnern an.
Gegenüber: eine wilde Mischung aus Mobile und Wandmaschine, mit der die Südafrikanerin Colleen Alborough eindringlich Müll und Wohlstand,Verwüstung und Technik miteinander verbindet. Vor allem aber gibt es in Marl jede Menge Kohle im Film, mit Janet Biggs’ Doku „Helligkeit rings umher“ über die Bergarbeiterin Linda Noberg etwa, die tief in eine Kohlemine in Spitzbergen einfährt, allein im Dunkel zwischen monströsen Maschinen. Phantastischer noch kommt das Monodrama „Erdenleib“ daher, in dem sich ein Maskenmann eine Energiesparleuchte ins Auge schraubt und ein verlassenes Zechengelände erkundet – oder Olav Westphalens „The Tunnels“, ein Animationsfilm, dessen Held aus einem Stück Holzbalken besteht. Dazu dröhnt das Presslufthammer- und Fräsen-Konzert aus der Klanginstallation von Denise Ritter. Technisch brillant: Der 3D-Film „Colosseum“ über eine Erz- und Zyanid-Mine südlich von Las Vegas, die nur fünf Jahre lang ausgebeutet wurde und doch zu einer umgekrempelten Landschaft wurde.
All das wird umrahmt von historischen 30 Eisen- und Bronze-Skulpturen von Bergleuten und Stahlarbeitern aus der Sammlung von Werner Bibl, mit denen sich die hochfliegenden Kunstwerke vom naturalistisch-kitschigen Boden der Tatsachen abheben.
Skulpturenmuseum Marl, Creiler Platz, bis 16. September.