Mülheim. Starkes Stück, starke Inszenierung. Die vielfach preisgekrönte Elfriede Jelinek gab sich mit ihrem „Königsweg“ in Mülheim die Ehre.

Das Volk hat ihn zum König gekürt, weil er verkörpert, „was alle schon immer gedacht haben“. Er ist der „Vorkämpfer“ neuer alter politischer, sozialer, wirtschaftlicher Ideen. Er hat dem „jungen weißen Mann“, dem Relikt der abgehängten Arbeiterklasse – ob im Osten Deutschlands oder in Montana/USA – nicht nur eine Stimme gegeben; er hat die Abgehängten wieder „angehängt“, indem er ihnen nützliche Feindbilder als Druckventil lieferte. Intellektuelle Warnungen fruchten nichts mehr – „Die Worte sind aufgebraucht, jetzt herrschen die Aufgebrachten.“

Mit Elfriede Jelineks eher resignativem Stück „Am Königsweg“, das nach der Wahl Donald Trumps entstand und seither viel zu vereinfachend unter dem Etikett „Anti-Trump“ firmiert, erlebten die Theatertage einen Favoriten auf den Dramatikerpreis. Es war das erhoffte Theatererlebnis der Extraklasse. Falk Richters Inszenierung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg gehörte zu den zehn herausragenden Arbeiten, die zum Berliner Theatertreffen geladen wurde; Benny Claessens, der „König“, erhielt den Alfred-Kerr-Preis als bester Darsteller . Besser geht’s eigentlich nicht. Tatsächlich war es fast zu viel des Guten. „Am Königweg“ ist der Gedankenmonolog einer blinden Seherin, ein über 90 Seiten langer Fließtext, den es in Bilder, Personen, Situationen aufzubrechen gilt. Richter entscheidet sich für einen parodistischen Zugriff und entwickelt eine überwältigende Rocky-Horror-Muppet-Show voller rasanter optischer und akustischer Effekte.

Zu jeder Sekunde der dreieinhalb Stunden kurzen Inszenierung sind alle Sinne des Zuschauers gefordert, oft überfordert; unter der permanenten Reizüberflutung drohen Jelineks Feststellungen und Warnungen immer wieder zu ersticken. Da ist die vergleichsweise ruhige, auf eigene Weise durchaus spektakuläre Sicht auf Jelineks Kassandra-Rufe, die Philipp Preuss (unter Einbindung von Jarys „König Ubu“) für das Theater an der Ruhr entwickelt hat, entschieden kraftvoller, deutlicher, beklemmender auch. Eine Empfehlung.

Das Internet als Ebene der Realität wird im Stück „Beben“ umkreist

Im Raffelbergpark präsentierte das Theater Heidelberg mit „Beben“ von Maria Milisavljevic einen weiteren Bewerber um den „Stücke“-Preis. Der Text, ebenfalls kein Stück im klassischen Sinne, zeigt saturierte Menschen einer Gesellschaft, für die Internet-Realität zunehmend wichtiger geworden ist als das wirkliche Leben und deren Gleichgewicht zwischen Wissen und Nichtwissenwollen immer fragiler wird. Der Wächter und Strippenzieher über dieses beim englischen Dichter und Maler William Blake entlehnte mythologische Land Ulro, eine Art irdische Geisteswüste – ist damit Mark Zuckerberg gemeint?

Am Donnerstag steht in Mülheim „Versetzung“ (Thomas Melle) auf dem Plan, am 1. Und 2. Juni „paradies spielen (Thomas Köck). Abschlusssitzung der Jury nach der Aufführung am Samstag. Karten 0180 – 670 07 33.