Essen. . Viele kennen Sigrid Damm als Autorin kluger Bücher über die deutsche Klassik. Nun hat sich die Literaturwissenschaftlerin ihrer eigenen Familie gewidmet. „Im Kreis treibt die Zeit“ ist keine Autobiografie geworden, es ist mehr eine nachdenkliche Beschäftigung der 77-jährigen Autorin mit ihren Wurzeln.

Viele kennen Sigrid Damm als Autorin kluger Bücher über die deutsche Klassik. Nun hat sich die Literaturwissenschaftlerin ihrer eigenen Familie gewidmet. „Im Kreis treibt die Zeit“ ist keine Autobiografie geworden, es ist mehr eine nachdenkliche Beschäftigung der 77-jährigen Autorin mit ihren Wurzeln.

Und es ist noch mehr: „Im Kreis treibt die Zeit“ erzählt auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts exemplarisch, über Anpassung und Auflehnung in der NS-Diktatur, über Krieg, Angst und Orientierungslosigkeit und das Leben in der DDR und im vereinten Deutschland.

Es geht um ernste Themen, das schwierige Verhältnis der Autorin zu ihrem Vater etwa. „Er taugt nichts“, lautet das Urteil seines Schwiegervaters, das Sigrid Damm heimlich lauschend als Fünf- oder Sechsjährige aufschnappt, als die Mutter mit ih-ren Eltern über Scheidung redet. Immer wieder gibt es Streit. „Jeder war auf seine Weise unglücklich“, berichtet Sigrid Damm über die Eltern.

Ihre Mutter stirbt 1991, der Vater zwei Jahre später. Sigrid Damm fragt sich, wie ihr Vater als junger Mann gewesen ist. Sie findet Unterlagen über seine Grundschulzeit vor dem Ersten Weltkrieg, über seine Lehre in einer Bank mit jüdischem Besitzer. In der Nazi-Zeit wurde ihr Vater Mitglied der NSDAP – war er Mitläufer oder Überzeugungstäter? Ein Antisemit war er nicht, ist sie sich sicher. Nach dem Zweiten Weltkrieg landet er zunächst in der amerikanischen Zone – erst 1948 geht er zurück nach Gotha, seiner Familie zuliebe. Die Tochter wünscht sich, er möge verschwinden – auch das ist eine Tragödie.

Damm erzählt davon ganz offen, so wie von der späteren Annäherung an den alten Vater. „Die Beschäftigung der Kinder mit dem Leben der Eltern findet immer erst statt, wenn keine Fragen mehr möglich sind“, schreibt sie bedauernd. Aber von den Fragen, die sich ihr stellten, hat sie erstaunlich viele beantwortet.