Essen. . Mit „Nach einer wahren Geschichte“ zeigt der 84-jährige Roman Polanski noch einmal seine Kunst – nicht auf dem Gipfel, aber als schönes Finale.

Gerade geht der neue Film des inzwischen 84-järigen Regisseurs Roman Polanski an den Start, da ereilt ihn die Nachricht, dass die Academy of Motion Picture Arts and Sciences ihm die Mitgliedschaft entzogen hat. Er habe „die Werte des Respekts vor der menschlichen Würde missachtet“, heißt es in der Begründung.

Dieses plötzliche Einsehen kommt reichlich spät, zielt es doch immer auf Polanskis Missbrauch einer 13-Järigen von 1977 in den USA. Die Mitglieder der Academy hat das bisher nie weiter gestört, sie haben dem Polen mit französischem Pass 2003 sogar noch einen Regie-Oscar für „Der Pianist“ verliehen. Nun aber, im Zuge der #MeToo-Kampagne und angesichts der Tatsache, dass der Regisseur sich nie wirklich für sein Fehlverhalten entschuldigt hat, fühlt man sich offenbar verpflichtet.

Das Flair der frühen Filme

Schon der Titel von Polanskis neuem Film „Nach einer wahren Geschichte“ spielt mit dem Zuschauer. Hier steht denn auch keineswegs fest, was Wahrheit ist, was Imagination. So heißt die Autorin des gleichnamigen, adaptierten Romans Delphine de Vigan – genau wie die Heldin des Films, die gerade einen autobiografischen Bestseller über ihre Mutter geschrieben hat. Wer diese Delphine (Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner) anfangs bei einer Signierstunde erlebt, sieht eine müde, lustlose Frau, die an einer Schreibblockade leidet. Das ändert sich schlagartig, als plötzlich die junge Elle (Eva Green) vor ihr steht und sich als Fan zu erkennen gibt.

Dem Fan hilflos ausgeliefert

Als würden sie einander magisch anziehen, treffen sich die beiden nun häufiger, Elle lädt Delphine schließlich auch zu ihrer Geburtstagsfeier ein, zu der aber trotz des üppigen Buffets niemand sonst auftaucht. Schon bald offeriert die Buchautorin ihrer jungen Freundin einen Job als Sekretärin und Mädchen für alles, zumal Elle Erfahrung als Ghostwriterin hat. Nach und nach aber fühlt sich die Schriftstellerin immer mehr bedrängt, Elle kleidet sich inzwischen fast wie ihre Gönnerin, bewegt sich wie sie und greift nach ihrem Terminkalender. Als Delphine sich schließlich den Fuß bricht, ist sie Elle völlig hilflos ausgeliefert. Auch mit den wohlklingenden Speisen, die sie offenbar aber nicht vertragen kann...

Polanski schreckt vor Anleihen nicht zurück

Polanski will uns noch einmal auf das Gebiet des Thrillers führen und schreckt dabei auch nicht vor Anleihen zurück. Die Situation der festgenagelten Delphine, die ihrer immer seltsamer werdenden Freundin ausgeliefert ist, das kennt man ähnlich aus Stephen Kings Roman „Misery“. In Deutschland hieß das Buch „Sie“, was dann tatsächlich dem Namen Elle entsprechen würde. Aber auch das Flair vo Polanskis frühen Filmen riecht man hier, denkt an die Dicke in „Ekel“, „Rosemaries Baby“ oder „Der Mieter“. Vielleicht will der Regisseur mit diesem Film noch einmal an glorreiche Zeiten erinnern. Der neue Film, vielleicht sein letzter, ist immerhin ein schöner Abschluss, auch wenn er nicht mehr an die großen Werke Polanskis heranreicht.

Emmanuelle Seigner (51), bereits mit 14 ein gefragtes Mannequin, entstammt einer Schauspieler-Dynastie; Großvater Louis Seigner war Doyen der Comédie Francaise.

Den Durchbruch beim Film erlebte Emanuelle Seigner mit dem Thriller „Frantic“ (1988) von Roman Polanski. Mit ihm hatte sie etliche Erfolge, darunter „Bitter Moon“, „Die neun Pforten“ sowie „Venus im Pelz“. 2007 begann die vielseitige Künstlerin auch eine Karriere als Sängerin. 2009 spielte sie mit Bela B. (Die Ärzte) den Song „Liebe und Benzin“. 1989 heiratete sie den 33 Jahre älteren Roman Polanski. Das Paar hat zwei Kinder, Morgane (geb. 1993) und Elvis (1998).