Recklinghausen. . Ruhrfestspiele: Corinna Harfouch als „Die Präsidentin“ in einem nationalistischen Frankreich
Die Idee war ja gut. Was wäre, wäre nicht Emmanuel Macron, sondern Marine Le Pen bei der französischen Präsidentschaftswahl 2017 an die Macht gekommen? Ein Gedankenspiel, das Raum lässt für Angst und Schrecken, aber auch für Analyse und Begreifen. Doch wenn mit „Die Präsidentin“ eine Comic-Adaption auf die Bühne der Ruhrfestspiele kommt, wenn Corinna Harfouch vom Ensemble des Theater Magdeburg durch ihre erste Amtszeit getragen wird – dann erlebt das Publikum nur unkomischen, erkenntnisfreien Klamauk.
Aber gut, was haben wir erwartet.
„Ja, habt ihr denn für Worte bezahlt?“, herrscht Harfouch gleich zu Beginn ihr Publikum an. Zehn Minuten haben sie da schweigend geräumt und geschoben auf der Bühne, als der erste Zuschauer sagt: „Jetzt reicht’s.“ Ein schönes Stichwort für eine kleine ensembleseitige Reflexion darüber, dass das Theater in seiner zweitausendjährigen Geschichte nicht imstande gewesen wäre, eine Diktatur zu verhindern – „da können wir auch räumen.“ Und vielleicht wäre das besser gewesen, dieses Räumen. Stattdessen aber verliert Regisseurin Cornelia Crombholz sich im Rechtfertigungsreigen.
Corinna Harfouch, die wunderbar Wandelbare
Corinna Harfouch, die wunderbar Wandelbare, watschelt als große Dikatorin ans Werk, herrscht als Königin Ubu über Minister, die „der Frosch“ heißen oder „Regenwurm“. Es geht um Koalitionen mit den „Publikanern“ im „Plapperlament“ und Listen, Listen, Listen, in denen alle „sulemischen“ Mitbürger erfasst werden – „Nicht jeder Sulem ist ein Attentäter, aber jeder Attentäter ist ein Sulem.“ Abschottung der Grenzen, mediale Gleichschaltung, der „Exit“ aus Europa, quasi-religiöse Heilsversprechen und ein atemberaubend irrationales Gewese hinter den Kulissen – das alles aber lässt kalt, weil längst Realität.
Als Comic-Clownin trägt Harfouch Pappkrönchen, Reifrock und grelle blau-weiß-rote Schminke: Man habe halt nicht gewusst, sagt sie ihrem Publikum, wie man auf die Entwicklungen reagieren solle, und da habe man in einem Magazin Trump als Comicfigur gesehen, so sei dieser Spielstil entstanden. Auch andere fallen (scheinbar) aus der Rolle, da geht es um die Beilattacke in einem Regionalzug, um das neue Polizeigesetz in Bayern: Hier spricht das Fake-Volk.
Am Ende, nach zwei durchlittenen Stunden, bleibt der Eindruck einer schreienden, schwitzenden, stampfenden Hilflosigkeit. Und eine Erkenntnis, immerhin: Das Theater weiß also auch nicht weiter.