ESSEN. . Mit seinem Animationsfilm „Isle of Dogs“ sorgte Kult-Regisseur Wes Anderson schon auf der Berlinale für Furore. Jetzt startet der Film im Kino.
Kobayashi San hat einen verwegenen Plan gefasst, und er meint es ernst: Alle Hunde müssen raus. Der Bürgermeister von Japans größter Stadt Megasaki City ist Katzenfreund und schon lange der Ansicht, dass der Hund als treuester Gefährte des Menschen allmählich ausgedient hat. Deshalb lässt er seinen Leibwächterhund namens Spots auf die vor der Stadt gelegene und schwer bewachte Müllinsel deportieren. Viele weitere Hunde erleben in der Folge das gleiche Schicksal, aber der Platz auf der Insel ist begrenzt.
Kobayashi fasst einen düsteren Entschluss – und erfährt erbitterten Widerstand aus der eigenen Familie. Pflegesohn Atari mag sich nicht mit den neuen Umständen abfinden, baut sich heimlich ein Fluggerät und macht sich auf den Weg zur Müllinsel, um dort nach Spots zu suchen. Nach glimpflich verlaufener Bruchlandung findet sich Atari in feindlichem Gebiet, wo rivalisierende Hundebanden um kleinste Nahrungsreste raufen. Er macht die Bekanntschaft mit den fünf Alpha-Hunden Chief, King, Boss, Duke und Rex, die in ihren früheren Existenzen alle edle Funktionen erfüllten. Sie erklären sich bereit, Atari auf seiner Suche nach Spots zu helfen; denn den ersten Gefangenen der Müllinsel umgibt eine Legende, an die das Schicksal aller Hunde Japans geknüpft ist.
Konservative Grundhaltung des Kulturbetriebs
Ein Hauch von Skandal umwehte die diesjährige Berlinale, weil die Festivalleitung es gewagt hatte, den Wettbewerb mit „Isle of Dogs“ (Insel der Hunde) zu eröffnen, erstmals also mit einem Puppentrickfilm. Die konservative Grundhaltung des hiesigen Kulturbetriebs mag damit angemessen demaskiert sein. Zum Film selbst hingegen lässt sich feststellen: Auch der jüngste Wurf von Wes Anderson wird die gar nicht so kleine Fangemeinde zufriedenstellen – und den Rest nicht.
Seit zwanzig Jahren dreht der Texaner Anderson Filme, über die sich einige Menschen wie Bolle amüsieren können. Die meisten anderen Leute dagegen stellen enttäuscht fest, dass Anderson-Filme sich in der Vorschau recht witzig ausnehmen, das Versprechen in der realen Spielzeit von anderthalb bis zwei Stunden mangels Substanz und Abwechslungsreichtum aber nicht halten. Man würde ja auch nicht wagen, mit drei Witzen einen ganzen Spaßabend zu bestreiten. Immerhin, bei Anderson weiß man, woran man ist.
Ein Meister des Zitierens
Inzwischen ist auch sein Animationsstil weniger zittrig als vor neun Jahren in „Der fantastische Mr. Fox“. Anderson hat die Technik verfeinert, ansonsten blieb er sich treu als Meister des Zitierens. Das Drehbuch, das er zusammen mit dem Schauspieler Jason Schwartzman verfasste, vermengt einen pessimistischen Zukunftsblick mit Verfremdungen einer Fabel. Dabei bedient sich Anderson in der erzählerischen Auskleidung wie in der filmischen Umsetzung einmal mehr bei erlesenen Vorbildern; von Prokofjews „Lieutenant Kije Suite“ im Soundtrack über die Bildkompositionen der japanischen Regiemeister Ozu und Kurosawa bis zu dramaturgischen Elementen bei Haruki Murakami oder Ray Bradbury; um nur einige Beispiele zu nennen. Hier liegt wohl auch das Geheimnis des Kulterfolgs.
Ein Anderson-Film ist nicht aus sich heraus originell; er setzt Gedanken oder Stilelemente anderer in einen neuen, skurrilen Zusammenhang. Das ist Kino-Sampling, verankert in einer Idee von Postmoderne, die schon im Jahr 2000 altmodisch war. Wes Anderson hat es sich in dieser Nische gemütlich gemacht. In Berlin bekam er dafür sogar den Regiepreis. Anderson-Fans finden das angemessen. Der Rest schaut verstohlen auf die Uhr.