Herne. . 17 Ausstellungen im Revier widmen sich dem Abschied vom Bergbau. Ein stolzer Kraftakt, der sich absetzen will von „Schickimicki“-Schauen.
Gestern schon öffnete mit den „Glück auf“-Comics und -Cartoons in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen die erste von 17 „Kunst & Kohle“-Ausstellungen, ab heute zeigt das Duisburger Lehmbruck Museum seine „Schwarz ist Gold“-Schau mit Kunst aus Kohle, und so geht es Schlag auf Schlag weiter. Bis auf die Häuser in Hagen und Hamm sind alle Ruhrkunstmuseen an diesem 2,5-Millionen-Euro-Paukenschlag zum Abschieds-Jahr der Kohle im Revier beteiligt, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft übernommen.
Ohne Sponsoren wie die RAG-Stiftung, die Brost-Stiftung, die Kunststiftung NRW und die Landesregierung wäre er nicht möglich gewesen; allerdings haben sich auch die Museen selbst finanziell wie personell für diesen neuen Kunst-Superlativ nach der Decke gestreckt, wie Leane Schäfer betont, die als Chefin des Kunstmuseums Gelsenkirchen derzeit für das Museums-Netzwerk spricht.
Das wohl bilderstärkste und schlagzeilenträchtigste „Kunst & Kohle“-Projekt, die Verhüllung des Wasserschlosses Strünkede mit Jutesäcken auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern, ist noch in der Mache, und wenn keine Wetter-Kapriolen dazwischenfunken, soll am Samstag alles in trockenen Tüchern sein. „Aber auf der Suche nach Perfektion“, entgegnete ein schelmisch lächelnder Oberbürgermeister Frank Dudda auf eine zweifelshaltige Frage, „dürfen Sie nicht in Herne landen.“ Klang ein bisschen nach „Wir können alles außer Schickimicki“.
Ein Brautpaar hat sich beschwert
Jedenfalls hat Christo die Kunst der Verhüllung nicht für sich gepachtet, und wenn es Ibrahim Mahama bis Samstag tatsächlich geschafft hat, Schloss Strünkede mit Jute zu verpacken, dann kommt es auf den Inhalt an. Auf den vor allem, den die Säcke einmal hatten: In Ghana, wo Mahama die unansehnlichen Gebraucht-Säcke bei Händlern gegen neue eingetauscht hat, dienen sie als Universal-Transportmittel, unter anderem für Kaffee, Kakao und Holzkohle. Schweiß, Blut und Tränen der Rohstoffproduktion in Afrika stecken also in diesen Säcken, Armut und Abhängigkeit. Der Kontrast zu Reichtum und Macht, wie ein Schloss sie symbolisiert, könnte größer kaum sein. Und die Umkehr von innen und außen, von hässlicher Ausbeutung und schöner Fassade mag ein Provokation sein, die nachdenklich macht. Und von den Brautpaaren, die sich sonst am „schönsten Tag ihres Lebens“ vor der schönsten Kulisse weit und breit ablichten lassen, hat sich erst eines beschwert – schließlich bleibt der Innenhof des Schlosses jutesackfrei, so dass ein klassisches Hochzeitsmotiv weiter machbar bleibt, wenn auch ohne Wassergrabenromantik.
Hernes Stadtoberhaupt Dudda hofft geradezu auf Kunst als Debattenanschub: „Wir brauchen die Diskussion, um die Situation des Abschieds von der Kohle zu wandeln in eine der Veränderung!“ Ferdinand Ullrich, Ex-Chef der Recklinghäuser Kunsthalle und Koordinator des bereits seit 2011 geplanten Mega-Projekts „Kunst & Kohle“, stellte heraus, dass man mit dem Ausstellungs-Feuerwerk die „Behauptung wahrmachen will, dass das Ruhrgebiet ein Kulturgebiet ist.“
Die Palette der bis in den Herbst präsentierten Kunst reicht von Laien-Malerei und den allseits bekannten Industrie-Fotografien von Bernd und Hilla Becher über Video- und Klangkunst sowie Zero-Kunst und eine experimentelle Versuchsanordnung, mit der im Kunstmuseum Mülheim aus Kohle Parfüm gewonnen werden soll, bis hin zu aktueller Kunst, zu der auch die Holzschnitte der Brüder Gert und Uwe Tobias in Recklinghausen gehören.