Dortmund. Das neue Studio-Album „Captain Fantastic“ zündet auch auf der Bühne, wie sich beim Konzert zur Eröffnung der Dortmunder Phoenixhalle zeigte

„An alle Bösewichter/ Jetzt kriegt ihr Stress“ – ja, das ist mal ein erster Satz! Die Fantastischen Vier feiern in Dortmund ihr zehntes Studioalbum „Captain Fantastic“, und die Eröffnung mit dem Titelsong darf man wohl als Kommentar verstehen: Zum bösen Gangsta-Rap der Düsseldorfer Farid Bang und Kollegah ebenso wie zur Grundgereiztheit unserer Tage, die die Band trefflich karikiert: „Wir brauchen Gewalt und wir wollen Aggression / Wir stehen auf Eskalation / Statussymbol Testosteron / Vaterfigur Smarttelefon.“

Der deutsche Sprechgesang, wie die Fanta 4 ihre Musik nennen, wäre kaum zu denken ohne die Stuttgarter Veteranen. Knapp 30 Jahre lang haben sie ihre Fans höchst erfolgreich mit Gute-Laune-HipHop unterhalten, weit entfernt von allem Gangsta-Hass, und auch am Freitagabend bebt die Halle bei Stücken wie „Die da“, „Was geht“, „Yeah Yeah Yeah“ oder „Ich is ich is ich is ich“. Party pur mit 3600 Fans, und Thomas D. hüpft und hüpft und japst: „Mal sehen, was die Sprunggelenke noch so hergeben!“

Denn sie sind ja auch schon um die 50: Smudo und Thomas D. und Michi Beck und And.Ypsilon zählen längst zu den gesetzten Herren der deutschen Musikgeschichte, denen für ihre virtuosen Textzeilen nur einen Tag vor der großen Release-Party gar der Jacob-Grimm-Preis für Deutsche Sprache zugesprochen wurde. Alter und Ehre, das gibt so eine gewisse Erdenschwere. Kann man mit 50 eigentlich noch Spaß-Rap machen?

Kleiner Futur-II-Taumel

Na ja, das neue Album kommt politisch wie nie daher – jetzt wollen die Fantas offenbar auch mal Farbe bekennen. „Captain Fantastic“, das meint ein Superheldengefühl, meint die gute Seite der Macht. Klingt etwas wohlfeil, schafft am Freitagabend aber doch Stimmung, so textsicher und überzeugt, wie „die ,Endzeitstimmung’ für alle“ (Smudo) von allen mitgesungen wird: „Es wär ne wunderschöne Welt ohne Religion“ und „Geht mir weg mit eurem Stolz auf die eigene Nation“ und „Ihr seid nicht das Volk, ihr seid Vollidioten“. Schon schön, das mal (gemeinsam) gesagt zu haben. Zumal so rhythmussensibel, wortfeuernd, wie man Fanta 4 kennt. So schnell und gewandt und frisch kommen auch die neuen Stücke daher, dass sie sich musikalisch nahtlos einfügen in die guten alten Zeiten. Die mit reichlich Nostalgie gewürdigt werden, ob mit neuen Werken wie „Hitisn“ und einem freundschaftlichen Gastauftritt von Clueso, den die Fantas ja für „Zusammen“ mit ins Boot holten. Oder mit dem musikgeschichtlichen Versuch, „Danke“ zu sagen, besser jetzt als nie, denn heute ist „Heute“: „Zeit vergeht, nee weit gefehlt denn irgendwann ist immer Heute“.

Die Temporärverwirrung macht Thomas D. dann noch mit einem kleinen Futur-II-Taumel perfekt, wenn er sagt, „irgendwann wird es schön gewesen sein, hier gewesen zu sein“. Hat er schon recht. Die jetzt auch offiziell eröffnete Phoenixhalle auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks Phoenix West ist in vierjähriger Umbauzeit zu einer neuen Adresse der hiesigen Konzertlandschaft gediehen. Beton und Backstein, alte Stahlträger und satter Sound: Da durften sich am Freitag auch die vielen mittelalten Musikfreunde wieder cool fühlen. Die Mitglieder von Fanta 4 gehören als Miteigentümer der Four Artists Booking Agentur auch zu den Bauherren der Halle, und so feierte man Release-Party und Neueröffnung eben in einem.

Wenn nach ziemlich genau zwei Konzertstunden (um zehn muss Schluss sein in der neuen Halle, der Ruhe wegen) die Wagen durch die Industriekulisse gen Heimat rollen, dann bleibt der nostalgisch gefärbte Gedanke, dass „Captain Fantastic“ genau jene Solidarität heraufbeschwört, die einst die Stahlarbeiter und Bergleute einte: „Die Mission muss bleiben / Die Hände zu reichen, die Vision zu teilen / Das Leben zu nehmen und es zu begreifen / Als Geschenk, verpackt in Endlosschleifen.“