Essen. . Der Beifall begann schüchtern nach der Premiere von „Der Fall der Götter“, das Publikum im Essener Grillotheater musste wohl erst mal die Überwältigung, die Ohnmacht abschütteln, ja die – soll man das sagen? – Machtergreifung, die sie Jan Neumann hat spüren lassen mit bodenlangen Hakenkreuzfahnen, mit einem Befehlston aus dem Off zum Schluss, der die Unterwerfung der Industriellendynastie von Essenberg unter die Nazis vollendet.
Der Beifall begann schüchtern nach der Premiere von „Der Fall der Götter“, das Publikum im Essener Grillotheater musste wohl erst mal die Überwältigung, die Ohnmacht abschütteln, ja die – soll man das sagen? – Machtergreifung, die sie Jan Neumann hat spüren lassen mit bodenlangen Hakenkreuzfahnen, mit einem Befehlston aus dem Off zum Schluss, der die Unterwerfung der Industriellendynastie von Essenberg unter die Nazis vollendet.
Knapp drei Stunden zuvor hatte die Bühnenübersetzung des Visconti-Films „Die Verdammten“ mit ebenso starken Bildern begonnen: Funken, Feuerschweife, Lichtblitze, Grollen, Donner: In Stahlgewittern beginnt die Geschichte der Industriellenfamilie. Patriarch Joachim von Essenbeck schraubt sich aus dem Bühnenboden – im blau-weißen Königshermelin, um den nun gerungen wird, ehe man ihn durch die Hakenkreuzfahne ersetzt. So beginnt die Familiengeschichte, die lose an die der Krupps angelehnt ist.
Sie dient eher als Schablone, in deren Hintergrund sich der Weg zur Macht der Nazis abspielt – sie muss auf Reichstagsbrand und Röhm-Affäre reagieren, verstrickt sich aber in eigene Machtspiele.
Neumann setzt auf eine Drehbühne, die fast pausenlos rotiert. Die riesigen Stahlbrammen darauf ermöglichen eine beständig wechselnde Choreografie der Essenbergschen Machtspiele – und ein moderiertes Eingehen auf Szenen und Gestalten zu eindrucksvollen Licht- und Tonspielen. Wenn man der Inszenierung einen Vorwurf machen wollte, wäre es wohl der, der auch schon dem Visconti-Film galt: den Aufstieg der Nazi-Diktatur zur großen Oper zu machen.
Dem gewohnt stark aufspielenden Stefan Diekmann als Hauptsturmführer von Aschenbach ist es vorbehalten, zarte, fast versteckte Hinweise aufs Hier und Jetzt zu geben. Mal kauert er wie in einer Yogahaltung als menschliches Hakenkreuz an einer Bramme, mal liest er aktuell klingende Segmente aus „Mein Kampf“ oder moderiert beifallheischend ins Publikum, dass es mit dem Egozentrismus in unserer Gesellschaft nicht weitergehe und wieder mehr Wir-Gefühl herrschen müsse.
Bei aller optischen Überwältigung, verstärkt durch die klug dosierte Musik von Thomas Osterhoff, meistert das Essener Ensemble die äußerst herausfordernden Rollen mit Bravour, allen voran Alexey Ekimov, der vom durchgeknallten Transvestiten über den Kinderschänder und Inzesttäter (beides wird mit schmerzhafter Deutlichkeit gezeigt) hin zum Machtmenschen eine erschütternde Metamorphose durchlebt. Kaum weniger eindrucksvoll die Leistung von Ines Krug und Stefan Migge. Der starke Dritte in diesem (scheinbaren) Bündnis, das am Ende zerfällt, ist Stefan Migge als Friedrich Bruckmann, der beinahe gegen seinen Willen dazu getrieben wird, im Hause der von Essenbeck nach oben zu kommen und sich damit dem Untergang weiht.
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