Duisburg. Das 30. Klavier-Festival Ruhr - das größte seiner Art - wird von Pierre-Laurent Aimard eröffnet. Er schenkte sich und dem Publikum nichts.
. „Viva la France!“ Das Motto des diesjährigen Klavier-Festivals Ruhr markiert zwar den Themenschwerpunkt des bis zum 13. Juli anhaltenden Konzertreigens, legt aber jeden pathetisch-chauvinistischen Beigeschmack ab, wenn der Akzent auf einem samtpfötigen Komponisten wie Claude Debussy liegt, an dessen 100. Todestag in diesem Jahr erinnert wird.
Und wenn ein Musiker wie Pierre-Laurent Aimard das Eröffnungskonzert in der ausverkauften Duisburger Mercatorhalle bestreitet, ist garantiert, dass er sich und dem Publikum nichts schenken wird. Im 30. Jahr des immer noch größten Festivals seiner Art sorgte Aimard jetzt bereits zum 25. Mal für ein Konzerterlebnis der besonderen Art. Und bevor er in Debussys Musik abstieg, überraschte er mit einem Schmankerl: Mit einer roten Clownsnase führte er 20 Kinder der Marxloher Grundschule Sandstraße an, die zu Debussys flottem „Golliwogg’s Cake Walk“ unter der tänzerischen Leitung von Petra Jebavy eine charmante Choreografie aufs Parkett legten. Damit erinnerte er an die Bedeutung der „Education-Projekte“, die zu den Herzstücken des Festivals gehören. Seit zehn Jahren werden sechs Schulen aus Duisburg-Marxloh in das Festival einbezogen. Hinzu kommen weitere Aktivitäten in Schulen und Kindergärten der Region.
Danach ging es erheblich ernster zur Sache. Zwei Jahre nach dem Tod Debussys bat die Zeitschrift „La Revue Musicale“ berühmte Komponisten um kleine klingende Memorials, die heute kaum noch zur Kenntnis genommen werden.
Mit blitzblank poliertem Anschlag
Aimard griff fünf dieser Beiträge auf. So unterschiedlich die vertretenen Persönlichkeiten wie Malipiero, Bartók, Strawinsky, Eugène Goossens und Paul Dukas auch geprägt waren, so sehr ähnelten sich die Miniaturen in ihrer Grundhaltung und Orientierung an harmonische und klangliche Merkmale Debussys. Es sind Entdeckungen, die eher auf dokumentarisches als auf künstlerisches Interesse stoßen dürften.
Debussy von seiner bekannten – und im Falle der beiden „Images“-Bände auch besten – Seite präsentierte Aimard in filigran ausgefeilter Perfektion und Schönheit. Die zarten Klanggemälde ließ er in einer etwas kühlen, emotional distanzierten Leuchtkraft erstehen, wobei er seine unerschöpfliche Anschlagspalette wirkungsvoll zur Geltung brachte. Gemäß Debussys Aufforderung „Vergesst die Hämmer im Klavier!“ entfaltete Aimard einen quasi entmaterialisierten Klang von erlesener Transparenz und Brillanz.
Fähigkeiten, die nach der Pause auch den „Douze Études“ zugutekamen: Spätwerke mit abstrakten Titeln, spröder gestrickt als die „Images“ oder „Préludes“. Die rhythmischen, harmonischen und melodischen Eigenschaften der debussy’schen Ästhetik sind in den zwölf anspruchsvollen Werken subtil eingearbeitet, freilich ohne die Kraft seiner bekannten Klangimpressionen erreichen zu wollen. Eine immense Herausforderung an die Konzentration von Künstler und Publikum, die Aimard bis zum letzten Ton reflektiert und mit blitzblank poliertem Anschlag bestand.
Begeisterter Beifall für eine der seltenen zyklischen Aufführungen der Sammlung, der nur wenige Pianisten so souverän gerecht werden wie Pierre-Laurent Aimard.