Essen. . 25 Jahre führte Ulrich Straeter den Essener Arka-Verlag, nun schließt er. Warum die Zeiten für Kleinverleger schwierig geworden sind.
Die ersten Jahre waren so, wie erste Jahre eben so sind: mühsam. Mit einem kleinen Koffer voller Druckwaren reiste Ulrich Straeter quer durchs Revier, unterwegs im Namen der Bücher – seiner eigenen nämlich. Straeters Geschichte ist eine von Wagnis und Aufbruch und endet doch mit einer letzten Wendung, die womöglich symptomatisch ist für die Literaturlandschaft Ruhrgebiet: Denn der 76-Jährige schließt den Essener Arka-Verlag, kurz nach der Feier zum 25-Jährigen.
Die 70er und 80er Jahre, das war die Zeit der Verlagsgründungen im Ruhrgebiet. In Oberhausen begann der Asso-Verlag seine Arbeit. In Bochum gründete sich der Brockmeyer Verlag, in Essen Klartext und Henselowsky Boschmann, in Dortmund Grafit. Dieser Gründergeist entsprang einer Zeit, in der auch die soziokulturellen Zentren sprießten, in der sich der Kulturbegriff weitete, Augen und Ohren offen wurden für das, was im wahrsten Sinne auf der Straße, vor Ort lag. Geschichte und Literatur des Ruhrgebiets schrieben die Kleinverleger sich auf die Fahnen.
„Wir hatten immer zu wenig Zeit“
Als Ulrich Straeter Verleger und Schriftsteller wurde, war er bereits Mitte 40 und hatte schon mehrere Leben hinter sich. „In der ersten Zeit war ich immer versucht, um 16 Uhr den Griffel fallen zu lassen“, erzählt er: „Das war ich ja so gewohnt.“ Als Finanzbeamter war er im Essener Hauptzollamt beschäftigt und erlag gemeinsam mit Ehefrau Ilse, damals Werbegrafikerin, trotz des schönen, festen Gehalts den Versuchungen des Zeitgeistes: „Wir hatten mehr Geld, als wir ausgeben konnten, aber immer zu wenig Zeit.“ 1981 begann Straeter sein Germanistikstudium, machte den Abschluss – und packte den VW-Bus voll.
Ein Jahr reiste das Paar quer durch Europa. Allerdings (hier meldete sich der Finanzbeamte) mit Rückfahrschein: „Wir hatten zwar gekündigt, aber schon einen Plan, wie wir nach dem Jahr Geld verdienen wollten.“ Mit befristeten Verträgen bei kulturellen Einrichtungen hielten die Straeters sich also fortan über Wasser, unter anderem bei der Arka Kulturwerkstatt in Essen. Und hier war es ein Schreibprojekt, das Ulrich Straeter leitete, das schließlich geradewegs zur Verlegerkarriere führte: Weil die Anthologie voller Reviertexte doch gedruckt werden sollte, eine ISB-Nummer brauchte – „aber damals musste man eben noch einen Verlag haben, um diese Nummer beim Börsenverein zu beantragen“.
Auf die erste Anthologie folgte eine zweite, folgten Reisebücher, die Ulrich Straeter schrieb und Ilse Straeter illustrierte, folgten Krimis und Gedichtbände. Sogar zwei Kinderbücher sind heute im Programm, das immerhin 40 Titel umfasst. Zugleich organisierte Ulrich Straeter Lesungen, die von Musik und Kunst begleitet wurden; auch dies wurde ein wichtiges Standbein.
Die Tricks der Großhändler
Und nun? Ulrich Straeter sitzt in seinem Arbeitszimmer, das zugleich Ladenlokal ist – eine ehemalige Bäckerei in Essen-Rüttenscheid bietet Platz für die Bücher und Bilder des Paares. Und nun „möchte ich so souverän sein, das selbst Begonnene auch selbst zu beenden“, sagt Straeter. Ebenso wie sein Kollege Norbert Brockmeyer in Bochum hat er nun den Verlag geschlossen – „einen Nachfolger hätte ich kaum gefunden, für Kleinverleger ist die Lage sehr schwierig geworden“. Denn längst pressten Amazon und Großhändler wie Libri den Kleinverlegern Preisnachlässe von 50 Prozent ab.
Und dass die Sponsorensuche bei Auflagen von 200 bis 2000 gedruckten Buchexemplaren oder auch bei Veranstaltungen, zu denen vielleicht 50 Zuschauer zu erwarten sind, extrem mühsam ist, das hat Straeter früh zu hören bekommen. „Ich wollte mal von den Stadtwerken tausend D-Mark haben“, erinnert er sich: „Da hat man mir gesagt, das können wir aus der Portokasse zahlen – tun wir aber nicht, lohnt sich nicht. Machen Sie ein Hochglanzbuch von 20 000 Stück, da sind wir dabei!“
Keine jungen Verleger mehr in der Region
Der Oberhausener Asso-Verlag widmet sich unter neuer Leitung heute wieder der regional gefärbten Literatur. Henselowsky Boschmann hat sich mit Feuer und Eifer weiterhin ganz dem Ruhrgebiet verschrieben. Der Dortmunder Grafit Verlag, ebenfalls seit einigen Jahren mit neuer Verlegerin, hat sich in der Krimi-Szene fest etabliert. Der Essener Klartext Verlag, heute Teil der Funke Mediengruppe, ist ein Spiegel des Reviers vor allem im Sachbuchbereich. Doch scheint es, als wüchsen trotz frischen Windes in der Literaturszene keine jungen Verleger in der Region mehr nach. Ein E-Book-Verlag, erst 2015 von einer Bochumer Studentin gegründet, hat seine Arbeit bereits wieder eingestellt.
„Es ist ja auch so“, sagt Ulrich Straeter, „als ich früher mit meinem Koffer durchs Revier gefahren bin, habe ich manche Buchhändler auch genervt – obwohl die meisten freundlich waren“. Aber heute, „da weiß ich doch gar nicht, wen ich bei den großen Buchhandlungsketten noch ansprechen soll“.