Dortmund. . Höhen, Tiefen, Zwangsheirat und langer Atem: Die Schwestern Samdereli erkundeten für „Die Nacht der Nächte“ das Geheimnis langer Partnerschaften.
Wenn zwei junge Frauen gleich mit ihrem ersten Kinofilm einen derartigen Erfolg haben, sollte man erwarten, dass sie bald nachlegen. Vor sieben Jahren stellten die in Dortmund aufgewachsenen Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli auf der Berlinale ihren Film „Almanya – Willkommen in Deutschland“ vor.
In den Kinos zog er danach rund 1,4 Millionen Besucher an. Aber was machen die Schwestern aus dem Erfolg? Sie lassen sich viel Zeit und präsentieren jetzt einen Dokumentarfilm, für den sie weltweit recherchiert haben, eine Herzensangelegenheit und in dieser Woche in den Kinos: „Die Nacht der Nächte“ zeigt an vier Orten der Welt Menschen, die 50 Jahre und mehr miteinander verheiratet sind.
Paare sind aus anderem Holz geschnitzt
Da steht man staunend davor und kann es fast nicht glauben. Heute, da man eher von Lebensabschnittspartnern spricht, von Patchwork-Familien und Dating Plattformen. Beziehungen huschen vorbei, kaum einer macht den Versuch, möglicherweise doch noch etwas zu retten. Da sind die vier Paare in diesem Film schon aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Sie sind gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen, sie haben gekämpft um ihre Ehe, weil sie überzeugt waren, dass dieser Partner der einzig richtige ist. Und natürlich auch, weil immer so etwas wie Liebe und Zuneigung im Spiel war.
Filmemacherinnen aus Dortmund
Yasemin Samdereli (Jg. 1973), wie ihre Schwester Nesrin (Jg. 1979) in Dortmund geboren aufgewachsen, besuchte nach dem Abitur die Filmhochschule in München. Ihr Abschlussfilm „Kismet“ lief weltweit auf Festivals. Nach zwei TV-Filmen („Alles getürkt!“, „Ich Chef, du nix“) drehte sie gemeinsam mit ihrer Schwester den Erfolgsfilm „Almanya – Willkommen in Deutschland“.
Die Regisseurin über ihren neuen Film: „Ich war frisch verheiratet, steckte bereits in der ersten großen Ehekrise und dachte mir: Wie hat das eigentlich die Generation unserer Großeltern geschafft?“
Obwohl, bei Shigeko und Isao Sugihara war doch alles ein wenig anders. Sie wurden von ihren Eltern zwangsverheiratet und mussten sich erst einmal aneinander gewöhnen. Wenn man Shigeko heute hört, muss das schier ein Drama gewesen sein, weil die beiden einfach keine Sprache fanden füreinander, weil sie nicht bereit waren, sich tatsächlich als Paar zu begegnen.
Bei Kamala und Hampana Nagarayya aus Indien war es wohl Liebe auf den ersten Blick. Für die Zeit Anfang der 60er nämlich tat Hampana einen verbotenen Schritt, indem er sich für seine Liebste über alle Kastengrenzen hinwegsetzte. Bis heute schwärmt er vor der Kamera von ihr und preist ihre Figur.
Die Amerikaner Norman MacArthur und Bill Novak mussten als homosexuelle Partner mit der Eheschließung in Pennsylvania bis 2015 warten. Gut 15 Jahre zuvor hatte Bill seinen um zwei Jahre jüngeren Mann zumindest schon mal adoptieren können, damit sie auch rechtlich füreinander sorgen konnten. Angesichts all dieser Schicksale wirkt das Leben von Hildegard und Heinz Rotthäuser aus dem Ruhrgebiet normal. Aber was ist schon normal an einer Ehe von 53 Jahren? Es sei alles andere als leicht gewesen, diese Beziehung über all die Jahre hinweg zu retten, gibt Heinz zu. Aber man spürt bei beiden sofort, dass der Zusammenhalt eine große, echte Liebe ist.
Ein Film von großer Ehrlichkeit
Die Schwestern Samdereli zeigen eine große Zuneigung zu ihren Protagonisten. Sie machen keine Interviews, sie lassen die betagten Paare ausschließlich selbst erzählen. Das Ergebnis ist eine große Ehrlichkeit, niemand will hier etwas beschönigen oder verschweigen. Die große Ruhe in den Bildern kündet von der sanften Abgeklärtheit der Personen. Man kann diese Paare nur bewundern, wie sie von schweren Zeiten erzählen, von Fehlern und Versäumnissen, aber auch von vielen Glücksmomenten. Vielleicht kommt man auch deshalb so beschwingt aus dem Kino.