Essen. . Manche haben sie vermisst: Nun meldet sich Kylie Minogue zurück. Ihr neues Album heißt „Golden“ und bietet zuverlässige Fankost.
„Aphrodite” ist vom Olymp gestürzt. Doch sie ist sicher auf beiden Füßen und festem Boden gelandet. Punktgenau auf einer Tanzfläche. In Cowboystiefeln.
So könnte man, zugegeben etwas kryptisch, Kylie Minogues beruflichen Werdegang der letzten Jahre zusammenfassen. Der vorläufige Endpunkt ist dabei kein tragischer, sondern vielmehr „Golden”, das morgen erscheinende Album der Australierin. Ein Werk, mit dem sich für die bald 50-Jährige ein Kreis schließt. Weil La Minogue jetzt wieder Kylie sein darf.
Kichernd in Badeschaum-Bergen kannten Kylie Minogue die Fans - ein braves Gegenbild zu Madonna
Am Anfang — 30 Jahre ist das her — stand ein gerade eben dem Teenage-Alter entwachsener Lockenkopf, der mit Tut-niemandem-weh-Hits wie „Loco-Motion” oder „Got To Be Certain“ in die Musikcharts gespült wurde. Zur besseren Einordnung: Damals ließ die weitaus exaltiertere Konkurrentin Madonna bereits martialisch ihre Reitgerte knallen. Und Kylie? Die spielte im Video zu „I Should Be So Lucky” kichernd mit Badeschaumbergen. Ein Quietscheentchen war nicht dabei. Obwohl…
Ein etwas dünnes Stimmchen, ein kreuzbraves Image, dazu kalkuliert eingängige Tanzhits aus der Hitwerkstatt Stock-Aitken-Waterman (siehe auch: Rick Astley, Bananarama etc.) — das waren seinerzeit Markenzeichen der Sängerin mit der überschaubaren Körpergröße. Schnell machte das Wort vom „Pop-Floh” die Runde: knuddelig, nahbar, ungefährlich. Madonna war der Wildfang, Kylie ein Fräulein zum Händchenhalten. Das hält länger.
Den Karriereknick überwand Kylie Minogue, gereift hat sie nun ein tanzbares Album für Fans ersonnen.
Es folgte, was leider meist folgt: Nachdem der Floh die breiten Massen nicht mehr juckte, kamen Karriereknick, pseudoerwachsene Ausflüge in die Independent-Musik und minimalistische Clubsound-Experimente. Eine erste Wiederauferstehung als Disco-Queen feierte Kylie erst zur Jahrtausendwende. Im legendären weißen Kapuzenkleid („Can’t Get You Out Of My Head”) setzte sie sich einmal mehr in den Köpfen fest.
Vorläufiger Höhepunkt vor sieben Jahren: Die Konzerte der bombastischen „Aphrodite”-Tour, ihrer bislang letzten in Deutschland. Ein Farbenfest mit Indoor-Springbrunnen, massenhaft Federschmuck und Minogue als Hybrid aus Showgirl und Liebesgöttin. Mehr geht nicht.
So eine Selbstüberhöhung und Übersexualisierung, wenn auch ansprechend ins Szene gesetzt, hat ein Manko: die Fallhöhe. Doch statt sich in noch größerem Gigantismus zu verlieren, tritt die gereifte Kylie von heute einen Schritt zurück hinter ihr ins beinah Übermenschliche gesteigerte Diven-Image. Es ist, paradoxerweise, auch ein Schritt nach vorne.
Denn die zwölf neuen Songs von „Golden” haben alles, was die Liebesbeziehung zwischen Fan und Frau Minogue dereinst stiften half. Wieder beherrscht ein angenehm berechenbares Songwriting die Platte, dazu gibt es durchweg tanzbare Beats im radiotauglichen Drei-Minuten-Zuschnitt. Und als Kirsche auf dem Dessert: Kylies so vertraute Mädchenstimme.
Da steppt eine durchs Midlife-Hoch - Kylie, die „heißeste Mutti auf dem Spielplatz“
Als ideale Vorschau aufs Album dient die erste Single mit dem programmatischen Titel „Dancing”: Im Video tippelt Kylie, im Privaten frisch getrennt und jetzt Typ „heißeste Mutti auf dem Spielplatz”, in Lederboots und Strassjeans über die Tanzfläche. Die Botschaft: Hier steppt eine Frau durch ein Midlife-Hoch und zelebriert das Dasein. Wenn die Blondine dann vor der Kamera sympathisch ungelenk mit einer Gitarre herumspielt, kommt einem unweigerlich wieder dieser Badeschaum in den Sinn.
Popmusik ist eben immer dann am schönsten, wenn sie nichts anderes sein will als Popmusik. „Golden“ löst das ein. Und als Nebeneffekt hat sich die Sache mit der Fallhöhe für Kylie final erledigt. Zumal das neue Album – bei aller Tanzbarkeit und Mitwippqualität – musikalisch das Niveau einer Limbostange hat, unter der die 1,52-m-Frau aufrecht durchlaufen kann.
Klein, aber dafür wieder die wahre Kylie. Es soll Menschen geben, die sie im letzten Vierteljahrhundert vermisst haben.
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Ein Dutzend neue Songs, untermalt von Westerngitarren-Gewittern und Disco-Handclaps: Golden klingt ganz so, als wären die Geister von ABBA und Dolly Parton (nicht deren Stimmen!) in den zierlichen Körper von Kylie gefahren.
Das neue Minogue-Album, wurde nicht zufällig in der Country-Metropole Nashville aufgenommen. Bahnbrechend ist das Werk nicht, dafür aber aus einem Guss und immer mitreißend.